Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter
eingeredet, meine Familie damit zufriedenzustellen, dass ich mir eine Frau suche, die nicht viel von mir erwartet. Du hast mich sogar darauf aufmerksam gemacht, dass Alise Kincarron meinen Bedürfnissen am besten entsprechen dürfte. Daraufhin habe ich ihre Bekanntschaft gemacht und musste dir recht geben. Und nun wird sie die meine. Bald wird sie meinen Haushalt zieren, wird mir einen fetten Säugling schenken, der dereinst meinen Namen und mein Vermögen erben wird. So ist sichergestellt, dass Vater mich als Erben einsetzt und nicht meinen Vetter. Das ist alles sehr klug und zweckmäßig, ohne dass es mich allzu sehr einschränkt.«
»Trotz allem ist es traurig«, sagte Sedric leise.
»Warum traurig? So bekommen wir alle, was wir wollen.«
»Nicht ganz«, sagte Sedric. »Und nicht auf ehrliche Weise.« Wieder seufzte er. »Und Alise hat etwas Besseres verdient. Sie ist ein guter Mensch, ein lieber Mensch.«
»Mein Freund, du hast einen Hang zur Sentimentalität. Und Ehrlichkeit wird meistens überschätzt. Wenn wir aus allen Einwohnern in Bingtown ehrliche Leute machen könnten, wären die Händler innerhalb einer Woche Bettler.«
Darauf wusste Sedric nichts zu erwidern, und nach einigen Augenblicken fragte Hest: »Wieso hast du mir die Idee in den Kopf gesetzt, wenn du nicht wolltest, dass ich es wirklich tue?«
Sedric zuckte halbherzig mit den Schultern. Offen gestanden hatte er nicht damit gerechnet, dass Hest seinem zynischen Vorschlag folgen würde. Dass er es getan hatte, schmälerte Sedrics Bewunderung für den Freund ein wenig. »Es gibt ein altes Sprichwort: Wenn du glücklich werden willst, dann heirate eine Hässliche und lebe fortan mit einer dankbaren Frau.« Dann gab er widerwillig zu: »Als ich dir den Vorschlag gemacht habe, war ich ziemlich betrunken und wegen meiner eigenen Lage verdrießlich. Alise ist kein schlechter Mensch. Und sie ist auf keinen Fall hässlich. Nur eben nicht, na ja, nicht gerade schön. Zumindest nicht nach Bingtowns Maßstäben. Aber sie ist freundlich. Als wir noch jung waren, kam sie immer meine Schwestern besuchen. Und zu der Zeit, als die meisten Mädchen mich behandelt haben, als hätte ich die Pest oder so etwas, war sie nett zu mir.«
»Oh, genau! Die Zeit, als du diese Pickel hattest, habe ich ganz vergessen«, piesackte ihn Hest ausgelassen. »Wahrscheinlich hat sie damals gedacht, deine Pickel würden nicht mehr weggehen und später einmal gut zu ihren Sommersprossen passen.« In seinen grünen Augen tanzte der Schalk.
Sedric unterdrücke ein Lächeln. »Diese Pickel machten tatsächlich den Eindruck, als würden sie nie wieder verschwinden! Deshalb hat es mir seinerzeit viel bedeutet, dass sie freundlich zu mir war, mit mir Karten gespielt oder sich am Tisch neben mich gesetzt hat, wenn sie zum Abendessen bei uns geblieben ist. Damals war sie meine Freundin. Natürlich kenne ich sie heute nicht mehr so gut, aber immerhin gut genug, um zu wissen, dass sie damals ein gutes Herz, wenn auch kein besonders schönes Gesicht oder ein Vermögen hatte.« Betrübt schüttelte Sedric den Kopf und musste sich gleich darauf seine widerspenstigen Haare aus dem Gesicht schieben. »Ich würde ihr nie etwas Schlechtes wünschen. Als ich meinte, dass sie eine gute, anspruchslose Frau abgeben würde, bin ich nicht davon ausgegangen, dass du ihr tatsächlich einen Antrag machen würdest.«
»Natürlich hast du das getan!«, warf Hest ihm herzlos vor. »Du warst die ganze Zeit über dabei, während ich ihr den Hof gemacht habe. Und du warst bei dem Plan behilflich! Du hast sie für mich ausgesucht und mir sogar gesagt, mit welchem Geschenk ich ihre Gunst erringen könnte. Und ich muss dir sagen, dass du damit absolut ins Schwarze getroffen hast! Ich dachte schon, alles wäre verloren, bis ich diese Schriftrolle ausgepackt habe. Damit hat sich das Blatt zu meinen Gunsten gewendet.«
»Gern geschehen«, entgegnete Sedric voller Bitterkeit. Er versuchte nicht daran zu denken, welche Rolle er in Hests Plan gespielt hatte, da er sich auf einmal schmutzig fühlte. Alise war seine Freundin gewesen. Was hatte er sich nur gedacht, als er in jener Nacht mit lallender Zunge ihren Namen genannt hatte? Die Antwort war ihm durchaus bewusst und erfüllte ihn mit Scham. Er hatte nur an sich gedacht, daran, wie angenehm das Leben an Hest Finboks Seite war. Er hatte daran gedacht, wie er an diesem Leben festhalten und dabei gleichzeitig seinen Freund dessen Zielen näherbringen konnte.
Er
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