Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter
den Falschen geraten«, sagte Leftrin unverblümt. Er wandte sich von dem Händler ab und ging zu den Getreidesäcken. Dann ließ er sich auf ein Knie hinab und zückte sein Messer. Er schnitt die Schnur durch, mit der der Sack zusammengebunden war, fasste hinein und ließ die Körner über seine Handfläche rieseln. Das Getreide war von guter, reiner Qualität, und ihm war weder Spreu noch Stroh beigemischt. Er ließ die Körner zurück in den Sack fallen und holte noch einmal eine Handvoll Körner von weiter unten hervor. Auch diese entpuppten sich im Licht besehen einwandfrei. Mit der anderen Hand nahm er ein paar Körner, steckte sie sich in den Mund und kaute.
»In der Sonne getrocknet, um es haltbar zu machen, aber nicht so sehr getrocknet, dass es den Geschmack und seine Kraft verliert«, klärte ihn der Kaufmann auf.
Leftrin nickte schroff. Er ließ die Körner in den Sack fallen, klopfte sich den Staub von den Händen und wandte sich dem anderen Sack zu. Auch hier durchtrennte er die Schnur, öffnete den Sack und wiederholte die Begutachtung. Als er fertig war, kauerte er sich hin, schluckte die Gerste hinunter und sagte: »Das ist gute Qualität. Wenn der Rest der Ware der Kostprobe entspricht, kaufe ich gerne. Sobald wir uns auf einen Preis je Sack geeinigt haben, könnt Ihr anfangen, die Fracht an Bord zu bringen. Ich behalte mir das Recht vor, jeden Sack zurückzuweisen. Denn ich werde jeden einzelnen prüfen, wenn er an Bord gebracht wird.«
Der Händler nickte langsam, womit er sich offiziell einverstanden erklärte. »Eure Bedingungen anzunehmen, fällt nicht schwer. Nun, sollen wir uns in Eure Kabine zurückziehen, um den Sackpreis auszuhandeln und womöglich über andere Geschäfte zu sprechen?«
»Wir können auch hier verhandeln«, bemerkte Leftrin ungerührt.
»Bitte sehr, in Eurer Kabine wären wir mehr unter uns«, gab der Kaufmann zurück.
»Wie Ihr wünscht.« Ein- oder zweimal hatte Leftrin zuvor mit verbotener Ware gehandelt. Im Moment hatte er keine illegalen Waren zum Verkauf, aber der Chalcedaner sollte ruhig ein Angebot machen, und sich damit in eine ungute Position manövrieren. Vielleicht könnte Leftrin den Preis für das Getreide drücken, wenn er den Entrüsteten spielte oder andeutete, dass er das Ansinnen des Kaufmanns den Behörden der Regenwildnis melden würde, wodurch dessen Handelserlaubnis eingeschränkt werden könnte. Für derlei Winkelzüge war sich Leftrin nicht zu schade. Schließlich handelte es sich bei dem Mann um einen Chalcedaner. So einem schuldete man keine Ehrlichkeit. Er deutete auf die Tür seiner kleinen Unterkunft. Bestimmt wäre der gut gekleidete Kaufmann von der winzigen Kammer entsetzt.
»Und während wir reden, bringen meine Leute das Getreide an Bord Eures Kahns.«
»Bevor wir uns über einen Preis geeinigt haben?« Das überraschte Leftrin. Dadurch erhielt er einen großen Vorteil. Sollte sich die Verhandlung so lange hinziehen, bis der Großteil der Ware an Bord war, und würden sie doch keine Einigung erzielen, müssten die Chalcedaner alles wieder abladen.
»Ich bin überzeugt, dass wir uns auf einen Preis einigen werden, der für uns beide günstig ist«, sagte der Kaufmann gelassen.
Mir soll’s recht sein, dachte Leftrin. Beim Feilschen durfte man keinen Vorteil ausschlagen. Über die Schulter rief er: »Hennesey! Du und Grigsby, ihr schaut Euch die Säcke an, die sie raufbringen. Zählt, wie viele es sind. Und scheut euch nicht, sie genauer zu inspizieren, wenn sie euch zu leicht aussehen, Wasserflecken haben oder von Ratten angefressen sind. Sobald die Fracht vollständig ist, klopfst du an meine Tür.«
Sie traten ein und setzten sich – Leftrin auf seine Liege, der Kaufmann auf den einzigen Stuhl neben dem kleinen Tisch. Der Chalcedaner verzog keine Miene. Er sah sich in der bescheidenen Behausung um, wiederholte sein förmliches Nicken und sagte: »Ich möchte mich Euch vorstellen. Ich heiße Sinad vom Erbe der Arich. Die Söhne meiner Familie trieben bereits Handel, als Bingtown noch gar nicht gegründet war. Wir haben die Kriege nicht gut geheißen, die unsere beiden Länder entzweit und unsere Geschäfts möglichkeiten und Gewinne geschmälert haben. Doch nun, da die Feindseligkeiten beigelegt sind, wollen wir so schnell wie möglich Beziehungen zu den Händlern des Regenwildflusses aufnehmen. Wir möchten Verbindungen aufbauen, die, wie wir hoffen, für beide Seiten lohnend sein werden. Vor allem würden wir uns über
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