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Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Titel: Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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nach Hause trugen, angelte Thymara von den äußersten Enden der mächtigsten Äste, von sonnenbeschienenen Plätzen, zu denen sich außer ihr niemand zu klettern wagte. Wäre es eine solche Erleichterung für ihre Mutter, wenn die Körbe ihres Vaters leichter wären? Und wer würde die täglichen Hausarbeiten verrichten, wenn ihre Eltern alt und gebrechlich würden und sie nicht mehr da war?
    Nichts von dem äußerte Thymara. »Was für eine ›nützliche Arbeit‹ bieten sie mir denn an?«, fragte sie ruhig. Sie verbannte jeden Vorwurf aus ihrer Stimme, zumindest versuchte sie es. Ihr war bange vor der Antwort ihrer Mutter, denn es gab alle möglichen »nützlichen Arbeiten« in Trehaug. In der verschütteten Elderlingsstadt gab es stets gefährliche Ausgrabungen zu verrichten. Das war eine mörderische Schufterei mit Schaufeln und Karren, oft in beinahe völliger Dunkelheit, und jederzeit bestand die Gefahr, dass ein Durchgang oder eine Wand der alten Stadtanlage nachgab und eine Schlammlawine freisetzte. Normalerweise wurden für diese Arbeiten Jungen eingesetzt, weil sie kräftiger waren. Mädchen wie sie, die keine Kinder bekamen, wurden häufig dazu eingesetzt, die Brücken, die die höchsten und schmächtigsten Äste verbanden, instand zu halten. In letzter Zeit war oft die Rede davon gewesen, das Netz aus Brücken zu erweitern, die die weit verstreuten Siedlungen diesseits und jenseits des Regenwildflusses verbanden. Und auch darüber, wie lang eine Brücke aus Holz und Ketten maximal sein konnte, bevor sie einstürzte. Der beklemmende Gedanke kam ihr, dass sie zu dem Arbeitstrupp gehören sollte, der dies herausfinden würde. Ja. Das war es wahrscheinlich. Schließlich wusste jedermann in der Nachbarschaft, wie gut sie klettern konnte. Und für diese Arbeit würde sie von zu Hause ausziehen und in der Nähe der Baustelle wohnen müssen. Damit wäre sie fern ihrer Eltern, und vielleicht würde ihre Existenz dort auch ein jähes Ende nehmen. Das käme ihrer Mutter womöglich gerade recht.
    Als ihre Mutter zu erzählen begann, klang sie gespielt fröhlich. »Nun. Heute war ein Händler im Stammmarkt, kostbar gekleidet in einer bestickten Robe, der hatte eine Schriftrolle vom Konzil der Regenwildnis bei sich. Er meinte, er wäre gekommen, um nach jungen, kräftigen Leuten zu suchen, die weder verlobt sind noch Kinder haben. Für eine spezielle Aufgabe im Dienste Trehaugs und der gesamten Regenwildnis. Es würde sehr gut bezahlt werden, sagte er, und man würde auch sofort einen Vorschuss bekommen, sogar noch vor Beginn der eigentlichen Arbeit. Und am Ende, wenn die Arbeiter wieder nach Trehaug zurückkehrten, würden sie für ihre Anstrengungen reichlich entlohnt werden. Er meinte, dass sich die Leute um diese Arbeit reißen würden, dass sie aber nur die Kandidaten nehmen würden, die außerordentlich zäh und robust sind.«
    Thymara hielt ihre Ungeduld im Zaum. Ihre Mutter konnte einfach nicht zum Punkt kommen. Wenn sie eine Geschichte oder eine Neuigkeit erzählte, redete sie ewig um den heißen Brei herum. Wenn man direkt fragte, schweifte sie nur noch mehr vom Thema ab. Deshalb biss Thymara die Zähne zusammen und schwieg.
    Ihrem Vater fehlte diese Geduld jedoch. »Also kein Angebot zur Verlobung. Sondern ein Arbeitsangebot. Thymara hat aber schon eine Arbeit. Sie hilft mir beim Sammeln. Und weshalb sollte sie sich ein ›unabhängiges Leben‹ wünschen, wie du es ausgedrückt hast, und warum sollte sie von uns fortgehen? Wir werden nicht jünger, und wenn ich sie gern bei mir hätte, dann im Alter, wenn wir unsere besten Tage hinter uns haben, wie du immer sagst. Was glaubst du denn, wer außer ihr sich um uns kümmern wird? Das Konzil der Regenwildnis etwa?«
    Ihre Mutter kräuselte die Lippen, und die Furchen auf ihrer Stirn wurden tiefer. »Oh, na schön«, sagte sie. »Ich bin ja schon ruhig. Und ich sehe ein, dass es dumm von mir war, dem Mann überhaupt zuzuhören oder zu glauben, Thymara würde sich nach ein bisschen Abenteuer sehnen.« Beinahe bebend vor Entrüstung presste sie die Lippen zusammen und verströmte wortlose Wut.
    Der Wohnraum ihrer Behausung war winzig, und dennoch tat die Mutter so, als wären sie nicht da, als sie das Essen auf die geflochtenen Untersetzer auf der Tischmatte stellte. Thymara und ihr Vater verkniffen sich jedes Wort. Wenn sie die Mutter weiter ausfragten, dann würde sie ihnen den Rest der Geschichte erst recht vorenthalten. Wenn sie dagegen Desinteresse vorgaben,

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