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Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Titel: Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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und weiter wachsen würden. Doch sie waren lachhaft und hatten nicht einmal ein Drittel ihrer angemessenen Größe. Wenn Sintara mit ihnen schlug, verursachte sie kaum einen Lufthauch, und vom Boden konnte sie sich erst recht nicht lösen. Leise und behutsam klappte sie die Schwingen wieder ein.
    Schwingen machten einen Drachen aus, dachte sie. Ohne Schwingen konnte sie weder jagen noch sich mit einem Gefährten paaren. Plötzlich kochte es in ihr vor Empörung. Vor ein paar Wochen, als sie sich zum Schlafen auf einem schmalen Sonnenfleck ausgestreckt hatte, war sie von Dortean unsanft geweckt worden. Er hatte sie besteigen wollen. Mit einem entrüsteten Fauchen war sie aufgefahren. Er war orangefarben, hatte plumpe Beine und einen dürren Schwanz. Dass er überhaupt versucht hatte, sich mit ihr zu paaren, war äußerst demütigend gewesen, denn er war dumm und mitleiderregend. Mit seinen schlammverkrusteten Vorderpranken auf dem Rücken aufzuwachen und festzustellen, dass er sie hoffnungsvoll besprang, bildete einen ekelerregenden Gegensatz zu den in ihrem Bewusstsein gespeicherten Erinnerungen von Drachen, die sich im Flug paarten.
    Normalerweise kämpften die Männchen um ein Weibchen, wenn dieses deutlich gemacht hatte, dass es zur Paarung bereit war. Und nachdem das kräftigste Männchen die Rivalen besiegt und sich in die Luft aufgeschwungen hatte, um sich mit ihr zu vereinigen, stand ihm meistens die letzte Herausforderung bevor, nämlich das Weibchen zu unterwerfen. Schließlich paarten sich Drachenköniginnen nicht mit Schwächlingen. Und ein Drachenmännchen würde sich niemals mit einer fügsamen Drachin einlassen. Denn wieso sollte man seine Blutlinie mit der eines gefügigen Weibchens mischen, deren Nachkommen womöglich nicht das wahre Feuer eines Drachen besaßen? Darum war es eine unerträgliche Erniedrigung, von einer solchen schwachsinnigen und missgestalteten Kreatur wie Dortean bestiegen zu werden. Sintara hatte sich herumgeworfen und vergeblich mit ihren verkümmerten Flügeln gerudert und nach ihm geschlagen. Zunächst hatte ihn das nur noch mehr angespornt. Er hatte sich nicht beirren lassen und sich weiterhin mit schlammverkrustetem Hals und fiebrigem, lüsternem Blick auf sie gestürzt. Als er sie gerade umklammern wollte, hatte sie ihn mit einem verzweifelten Streich ihres Schwanzes von den Beinen gerissen. Er war im allgegenwärtigen Morast gelandet. Ungelenk wie er war, konnte er sich nicht ohne Weiteres wieder aufrichten, und derweil war sie zum Fluss gestürmt, um sich die schlammigen Prankenabdrücke auf Rücken und Schenkeln abzuwaschen. Dabei hatte sie sich gewünscht, das saure Wasser würde auch die Demütigung wegspülen.
    Sintara rollte sich zum Schlafen zusammen, doch fand sie keine Ruhe. In ihrem Geist blitzten Erinnerungen auf, die sie mit Trauer erfüllten. Erinnerungen ans Fliegen, ans Paaren, an die fernen Ufer, wo ihre Vorfahren Eier gelegt hatten und sich anschließend auf dem heißen Sand gesonnt hatten. Ihre Trauer wich furchtbarer Sehnsucht. »Kelsingra«, flüsterte sie leise vor sich hin, und zu ihrer großen Überraschung stellte sich eine Flut von Erinnerungen an den Ort ein. Sie lediglich als eine Stadt am Fluss zu bezeichnen, hätte nicht annähernd der Wahrheit entsprochen. Denn sie war nicht nur aus Stein und Holz, sondern im selben Maße mit Herz und Verstand erbaut worden. Die gesamte Stadt war so angelegt, dass Elderlinge und Drachen darin in Freundschaft miteinander leben konnten. Die Straßen waren breit, die Tore zu den öffentlichen Gebäuden riesig, und die Kunstwerke an den Wänden und Brunnen feierten die Gemeinschaft von Drachen und Elderlingen.
    Zögerlich erinnerte sie sich auch an etwas anderes. An eine Quelle, einen Brunnen, der tiefer reichte als der Fluss, der an der Stadt vorbeifloss. Wenn man einen Eimer hinabließ, sank er zu einem verborgenen Strom, tiefer als jedes andere Grundwasser, der aus einer außergewöhnlichen Substanz bestand. Selbst eine winzige Menge davon war für Elderlinge berauschend und für Menschen vermutlich tödlich. Nur Drachen vermochten davon zu trinken. Sintara schloss die Augen und holte die uralten Erinnerungen anderer Drachen hervor. Eine Elderlingsfrau, in Grün und Gold gekleidet, drehte die Kurbel an der Winde dieses Brunnens und zog einen Eimer herauf, der mit dem silbrig glänzenden Getränk gefüllt war. Den Inhalt goss sie in einen glatt geschliffenen Trog und holte noch einen weiteren Eimer herauf, und

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