Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer
Jäger und Hüter mit ihren Booten an Teermann festmachen, um für die Nacht an Bord zu kommen. Es war sonderbar, an Deck von Teermann in einem derart flachen Gewässer zu fahren und über sich den weiten Himmel zu haben. Der ferne Wald bildete ringsum einen dunklen Horizont. Davor lag ein breiter Saum von zugewuchertem Gewässer. Über ihm drehten Wasservögel und kleine Singvögel ihre Kreise und suchten ihre Plätze für die Nacht auf. Wenn sie auf dem Wasser landeten, spritzte es auf. Die kleineren Vögel ließen sich auf den Kolben und Fruchtständen der Wasserpflanzen nieder. Im flachen Gewässer gab es massenhaft kleine Fische, Frösche und etwas, was wie schwimmende Eidechsen aussah. Zwar waren die Drachen alles andere als erfreut darüber, sich mühsam von den kleinen Tieren zu ernähren, aber wenigstens mussten sie nicht hungern. Gestern hatten sie einen gewaltigen Schwarm langbeiniger Vögel entdeckt, die durch das Wasser staksten. Sie waren mindestens mannshoch und stark beleibt gewesen. Ihr Gefieder hatte in allen Blautönen geleuchtet. Leftrin hatte sie nur kurz bestaunen können, bevor die Drachen auf sie losgestürmt waren. Die meisten Tiere hatten entkommen können, und bei ihrer hastigen Flucht schien es, als liefen sie auf dem Wasser. Der Rest war zu Drachenfutter geworden. Er hatte Davvie befohlen, ein paar der auf dem Wasser treibenden Federn einzusammeln, damit Alise sie in ihrer Sammlung aufbewahren konnte. Das Leben war reich auf diesem Fluss und vielfältiger, als Leftrin es je gesehen oder sich vorgestellt hatte.
»Immerhin ist es klares Wasser ohne Säure«, sagte Alise, während sie auf ihn zukam. »Wenigstens ein kleiner Segen, für den man dankbar sein kann. Trotzdem wird es die Drachen nicht begeistern, dass sie die ganze Nacht im Wasser stehen müssen.« Sie stellte sich neben ihn, und er sah, dass sie die Hände auf die Bugreling legte. Wie lange sie das wohl schon gemacht hatte, fragte er sich, sprach seinen Gedanken aber nicht aus. Teermann nahm ihre Berührung hin, schien sie sogar gutzuheißen. Sie strich über die Reling, wie sie Grigsby streichelte, wenn der Schiffskater ihr die Ehre erwies, auf ihren Schoß zu springen. Es war ein Streicheln mit der Fingerspitze, mit dem sie deutlich machte, dass er sein eigener Herr war, dass sie ihn zwar berühren, nicht aber besitzen konnte.
Ja. Diese Beschreibung traf auf Teermann zu, seit Leftrin ihn kannte, und vor allem seit er umgebaut worden war. Der vertraute dickköpfige Charakterzug des Kahns hatte sich allerdings verstärkt, seit sie diesen Flussarm hinauffuhren. Leftrin spürte in dem Schiff eine Gewissheit, die weder die Hüter noch die Drachen besaßen. Sie durchzog in der Nacht seine Träume, und sie war der einzige Grund, weshalb er jeden Morgen aufstand und dem Tag hoffnungsvoll entgegenblickte.
Alise legte ihre Hand auf seine.
Nun, vielleicht doch nicht der einzige Grund. Denn wie konnte sich ein Mann mutlos fühlen, wenn er jede Nacht von der Zärtlichkeit und Sinnlichkeit einer Frau umfangen wurde? Sie weckte in ihm Gelüste, von denen er nichts geahnt hatte, und sie befriedigte sie zugleich. Ihn hatte es weit mehr überrascht als sie, wie schnell die Mannschaft und die Hüter ihre Verbindung akzeptiert hatten. Denn er hatte wenigstens bei Sedric Schwierigkeiten erwartet. Wenn Alise auch offiziell noch immer ihre eigene Kammer hatte, besuchte und verließ sie seine Kajüte doch ganz unverhohlen und ohne dafür Vorwände oder Erklärungen vorzubringen. Nachdem Sedric zu dieser Sache erst zwei und dann drei Tage lang geschwiegen hatte, hatte Leftrin Alise gefragt, ob er mit ihrem Freund darüber sprechen sollte.
»Er weiß Bescheid«, hatte sie rundheraus gesagt. »Er heißt es nicht gut. Denn er glaubt, dass du mich nur ausnützt und dass ich es eines Tages bereuen werde, dir mein Vertrauen geschenkt zu haben.« Während sie das sagte, musterte sie ihn genau, als wolle sie in seine Seele blicken. »Darüber habe ich eine Weile nachgedacht. Und ich kam zu folgendem Schluss: Wenn du mich tatsächlich täuschen solltest, dann ist dies wenigstens eine Täuschung, die ich mir ausgesucht habe.« Ein seltsames Lächeln spielte um ihre geschürzten Lippen. »Und ich werde diese Täuschung so lange genießen, wie sie währt.«
Darauf hatte er sie in seine Arme geschlossen. »Es ist keine Täuschung«, versprach er. »Und was wir zusammen haben, wird überdauern. Vielleicht wirst du an manchen Tagen enttäuscht von mir sein.
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