Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer
haben ihren Hütern Blut gegeben, damit sie sich schneller verwandeln. Sie machen ihre Hüter zu Elderlingen. Gestern habe ich Kalo gefragt, wann er mir sein Blut geben und meine Verwandlung anleiten würde.«
Leftrins Augen blieben hart. Ruhig sagte er: »Eider, zieh ihn an Bord und setz ihn ab.«
Als wäre er ein Auslegerkran, drehte der Hüne sich um und ließ Greft aufs Deck herunter. Dieser taumelte zwei Schritte, bevor er sich aufrichtete. Trotzig sah er in die Runde.
Plötzlich drängte sich Sylve in die erste Reihe der Umstehenden. »Da war ich gerade bei Mercor. Ich habe gehört, wie du Kalo um Blut gebeten hast. Und ich habe gehört, dass der es dir verweigert hat.«
Sie war bleich und zitterte, und da fiel Thymara zum ersten Mal auf, wie sehr sich Sylve vor Greft fürchtete. Sie wollte gar nicht wissen, warum. Hinter dem Mädchen erschien Harrikin, der ihr die Hände auf die Schulter legte. »Es ist alles in Ordnung«, beruhigte er sie.
»Nein. Ist es nicht.« Obwohl ihre Stimme bebte, ging sie auf Greft zu. »Ich habe gehört, was Kalo gesagt hat. Er sagte, dass er dir kein Blut geben würde, weil er dir nicht mehr traut. Weil er fürchtet, dass du das Blut nicht willst, um dich zu verändern, sondern um es zu verkaufen.« Ihre Hand schoss vor, und sie packte den Zipfel seines zerrissenen Hemds. Als sie an der Tasche zerrte, fiel ein Glasfläschchen zu Boden, landete dumpf auf dem Deck und rollte im Kreis über die Planken. Es war leer. Sylve deutete darauf. »Man braucht keine Flasche voller Blut, um jemanden zu verwandeln. Da reichen ein paar Tropfen. Also wozu war die Flasche, Greft? Haben wir etwa einen Verräter in unserer Mitte?«
Thymara schnappte keuchend nach Luft. Denn während Sylves letzten Worten war Mercor plötzlich neben dem Schiff erschienen. Mit Stimme und Gedanken wiederholte er die Worte seiner Hüterin: »Haben wir einen Verräter in unserer Mitte?«
Ungestüm blickte Greft sich um. Ringsum war er von entsetzten, schweigenden Menschen umgeben. Thymara beobachtete Sedric, der bleich und krank vor Abscheu den Kopf abwandte. Alises Gesicht war steinern, während Leftrins Augen hart wie Stahl dreinblickten. Alle warteten.
»Ich bin nicht der Einzige!«, brüllte Greft. »Ihr Lügner! Lügner alle miteinander! Jess hat es mir gesagt, er hat mir alles gesagt. Er erklärte mir, dass die Expedition nur dazu gedacht war, die Drachen weit genug von Trehaug fortzuschaffen, damit niemand außer den Käufern etwas davon mitbekommt, wenn sie geschlachtet werden. Er hat mir gesagt, dass Leftrin davon Bescheid weiß, und dass er den Vertrag nur wegen diesem abgekarteten Spiel bekommen hat! Das Regenwildkonzil und sogar das kleine Konzil in Cassarick wissen darüber Bescheid! Wieso, glaubt ihr, haben sie sich darauf eingelassen? Das Ganze ist eine Farce! Selbst die ›Expertin‹ aus Bingtown und ihr Begleiter sind eingeweiht. Es gibt kein Kelsingra, es gibt kein Ziel, für keinen von uns. Der Plan bestand darin, die Drachen von Trehaug fortzulocken, sie zu schlachten und den Kahn dann mit ihren zerlegten Kadavern zu beladen. Und nach Chalced zu segeln, um sie dem Großfürsten zu verkaufen.«
Er funkelte sie alle der Reihe nach trotzig an. Nach seinen Worten trat entsetztes Schweigen ein. Mit schmerzverzerrtem Lächeln im Gesicht verhöhnte er sie. »Begreift ihr nicht, ihr Narren? Wieso, glaubt ihr, hat das Konzil euch ausgewählt? Um euch loszuwerden! Und weil es niemanden kümmert, wenn ihr verloren geht. Sobald ihr die Drachen weit genug flussaufwärts gebracht habt, wird man euch nicht mehr brauchen. Bis dahin sollten die Drachen tot sein oder getötet werden. Dann sollte der Kahn mit Drachenteilen beladen werden und sich auf den Weg nach Chalced machen. Und jeder wäre glücklich. Die Regenwildleute brauchen sich nicht mehr um die Drachen zu kümmern, Trehaug ist ein paar seiner Außenseiter los, der Fürst von Chalced wird geheilt und verbündet sich mit der Regenwildnis, und einige Leute sind ganz still und heimlich stinkreich geworden! Ihr Lügner! Schaut mich nicht so an! Ihr wisst es doch! Ich sage die Wahrheit! Warum spielt ihr mir was vor?«
Boxter schob sich nach vorn, und ihm quollen Tränen aus den Augen. »Aber du hast … du hast uns doch all diese Sachen gesagt! Dass wir eine eigene Stadt haben werden, dass wir neue Regeln aufstellen und all das!« Er hörte sich an wie ein kleiner, verwirrter Junge. Kurz erinnerte er Thymara an Rapskal mit seinen arglosen Fragen, und
Weitere Kostenlose Bücher