Raine der Wagemutige
sich unweit des Stadtrandes. Sehr gut.
Der Wagenschlag wurde aufgerissen. Jacques schob seinen gewaltigen Kopf in den Innenraum und steckte einen Schlüssel in das Vorhängeschloss, das die Ketten sicherte. Er schloss es auf, wand sich die Kettenenden um das Handgelenk und zerrte Raine durch die Kutsche zu sich.
Mit einer Grimasse stolperte er nach draußen. Pierre stand schon auf ihn wartend im Hof. Ein besorgt ausschauender Mann mittleren Alters kam aus dem Gasthaus und war Madame Noir beim Aussteigen behilflich. Zusammen hasteten sie in das Gebäude.
„Ich werde ihn nach oben in das Zimmer bringen“, sagte Pierre zu Jacques. „Einmal dort angekommen, liegt die Verantwortung für ihn bei Euch. Ihr sorgt besser dafür, dass er morgen bei Tagesanbruch zurückgebracht wird.“ Jacques betrachtete den aufgeblasenen französischen Wärter mit kaum verhohlener Verachtung. „Hat Madame je ihren Teil der Abmachung nicht erfüllt?“
„Nein“, erwiderte Pierre. „Stellt sicher, dass sie in ihrer . . . Sättigung nicht vergisst, auf der Hut zu sein. Dieser Kerl hier ist verschlagen. Rücksichtslos. Kommt jetzt.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, zerrte Pierre den Gefangenen hinter sich her zu dem Dienstbotenaufgang auf der Rückseite des Gasthofes. Dort angekommen, stiegen sie eine steile, schmale Treppe hinauf, an deren Ende sie vor einer Tür stehen blieben. Sie schwang auf, und der Wirt trat lächelnd und unter Verbeugungen aus dem Zimmer.
Jacques packte Raine am Arm und schob ihn unsanft in den üppig in schäbiger Eleganz ausgestatteten Raum, wobei er Pierre kurz angebunden befahl, draußen zu bleiben. Raine stolperte und landete direkt vor einem großen Himmelbett, das Seidenvorhänge in einem dumpfen Blau zierten, auf seinen Knien. Madame Noir stand auf der anderen Seite des Bettes.
„Madame“, sagte Jacques und ließ Raine nicht aus den Augen, während er seiner Herrin eine Pistole reichte. „Ich werde den Gefängniswärter und seinen Kumpan bezahlen, dann komme ich sofort zurück.“
„Musst du dazu das Zimmer verlassen?“ fragte sie, während sie um das Bett herumging; ihre Stimme klang beinahe verloren.
„Ich traue dem Wärter durchaus zu, dass er den anderen um seinen Anteil betrügt, und ich will von vornherein ausschließen, dass er Euch dann nachher stören kommt, um seinen Teil abzuholen. In der Zwischenzeit haltet die Pistole einfach immer auf ihn gerichtet.“ Jacques nickte in Raines Richtung. „Wenn er auch nur mit einem Muskel zuckt, schießt auf ihn.“
Sie nahm die Waffe und zielte mit dem Lauf auf Raine. Langsam und vorsichtig kam er auf die Füße.
„Ich werde ihn töten, wenn er irgendetwas Unangebrachtes versucht“, versprach Jacques angespannt, dann drehte er sich um und verließ nach einem letzten besorgten Blick zu dem Gefangenen das Zimmer, die Tür hinter sich ins Schloss ziehend.
Raine starrte auf die Waffe. Die Mündung der Pistole gähnte so hohl und unheilverkündend wie der Eingang zur Hölle, was vielleicht, wie er einräumen musste, gar nicht so weit von der Wahrheit entfernt lag.
Ohne auch nur eine Sekunde länger zu zögern, handelte
er.
Seine Hand schoss vor, er umklammerte den Lauf und drehte ihn zur Seite. Mit einem Aufschrei ließ sie die Waffe los. Er packte ihr Handgelenk, wirbelte sie herum und presste sie mit dem Rücken gegen seine Brust, und hielt ihren anderen Arm unnachgiebig an ihrer Seite fest.
Mit seinem Unterarm drückte er ihren Kopf nach oben, dann schlang er ihn ihr um den Hals. Es wäre ihm ein Leichtes, ihr diesen zarten Hals zu brechen. Mit einer Hand umschloss er ihr Handgelenk, in der anderen hielt er die Pistole. Vorsichtig ließ er den Hahn zurückschnappen und steckte sich die Waffe am Rücken in den Bund seiner Hose.
„Schreit jetzt, Madame, und Ihr werdet auf der Stelle sterben“, flüsterte er in das unter Schleiern verborgene Ohr, das seinen Lippen so nah war.
Als Antwort auf seine Drohung begann sie sich heftig zur Wehr zu setzen, zerrte mit ihrer freien Hand an seinem Arm. Sie trat nach ihm, aber ihre Bewegungen wurden von den vielen Lagen Röcke um ihre Beine behindert. Dennoch traf sie ihn mit einem ihrer Absätze auf den Spann, trat mit aller Kraft zu, und entlockte ihm einen erstickten Schmerzenslaut.
Er zwang ihren Kopf nach hinten, bis er an seiner Wange ruhte, so dass sein Mund dicht vor ihrem verschleierten Gesicht war. „Hört auf!“ zischte er.
Sie wimmerte auf, und ihre Bemühungen, sich aus seinem
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