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Raine der Wagemutige

Titel: Raine der Wagemutige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Brockway
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Großzügig geschwungene, köstlich volle Lippen kräuselten sich und entblößten perlengleiche Zähne, die vorne ein winziges bisschen schief standen.
    „Wer seid Ihr?“ verlangte er noch einmal zu wissen.
    „Das habe ich Euch doch die ganze Zeit zu sagen versucht!“ erwiderte sie entrüstet. „Aber Ihr. . . Ihr Tölpel! Dummkopf! Ihr wolltet ja nicht zuhören. Ihr müsst zupacken und Schmerzen zufügen und kämpfen, bevor Ihr überhaupt wisst, worum es geht. Drei Mal habe ich Euch um Geduld gebeten! “ Sie hob ihren behandschuhten Finger und deutete damit anklagend auf ihn. „Drei Mal! Konntet Ihr denn nicht warten? Musstet Ihr versuchen, mich umzubringen?“
    „Mademoiselle“, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, und Ärger verdrängte rasch seine Verblüffung, sich auf einmal einem wütend fauchenden Kätzchen gegenüber zu finden, das ihn herunterputzte wie einen dummen Jungen. „Mademoiselle, wenn ich gewollt hätte, dass Ihr tot seid, dann glaubt mir, wäret Ihr jetzt tot.“
    Als Antwort auf seine in seinem drohendsten Tonfall gesprochenen Worte warf sie angewidert die Arme in die Luft. „Pah! “ rief sie. „Ihr Engländer seid alle gleich! Immer nur bedrängen. Einschüchtern. Rücksichtslos sein. Fein, Monsieur. Wenn Ihr rücksichtslos sein wollt, dann seid rücksichtslos mit Eurem eigenen Leben, nicht mit meinem und nicht mit Jacques'.“
    Seine Reaktion mit Erstaunen zu umschreiben, wäre eine grobe Untertreibung gewesen. Das Mädchen bebte buchstäblich vor Entrüstung. Oder vor Angst. Raine musterte sein Gegenüber schärfer. Er wusste, dass die junge Frau blass geworden war, denn allmählich kehrte die Farbe in ihre zarten Wangen zurück, und ihre Atemzüge, unter denen sich ein paar goldene Strähnen bewegten, waren abgehackt und keuchend.
    Zweifelsfrei hatte er ihr Angst eingejagt. Und das von Beginn an. Was er als das verderbte Spiel eines liederlichen Frauenzimmers angesehen hatte, war in Wirklichkeit echte Furcht gewesen. Sie war sich vermutlich nicht einmal im Klaren darüber, welche Erniedrigung er willig in Kauf genommen hätte, um seine Flucht zu ermöglichen. Hölle und Verdammnis, überlegte er, sie hat vermutlich nicht einmal die Hälfte von dem verstanden, was während der Fahrt in der Kutsche vor sich gegangen ist.
    „Bitte sprecht doch, Mademoiselle. Ich werde gefesselt Euren Offenbarungen lauschen“, erwiderte er mit leichtem Spott, sich dankbar an die Pistole erinnernd, die sicher in seinem Hosenbund steckte.
    Er verschränkte die Arme vor der Brust und bemerkte, wie ihr Blick auf seine bloße Haut fiel und dann rasch weiterwanderte, während sie - sehr kleidsam, wie er fand
    - errötete. Lieber Himmel, sie sieht wie eine Novizin aus, dachte Raine, und musste unwillkürlich an eine andere junge Novizin denken, in deren Augen ein wesentlich weltlicheres Leuchten gestanden hatte als bei diesem Mädchen hier. Aber Merrys dunkle Schönheit hatte etwas Erdverbundenes gehabt, während diese hier . . . nun, sie war keine Schönheit.
    Zum einen waren da diese Augenbrauen, zu kühn und irgendwie auf eigensinnige Weise gerade. Und ihr Kinn war zu fest. Und ihre Nase zu keck. Obwohl sie, um der Wahrheit Ehre zu geben, wirklich großartiges Haar hatte. Und eine Unterlippe, an der er nur allzu gerne einmal geknabbert hätte, so voll und einladend war sie. Ihre Augen - nun, an denen würde niemand etwas auszusetzen finden, wenn sie auch nur unter den dunklen Strichen jener tadelnden Brauen bewundert werden konnten.
    „Hört auf, mich derart anzustarren!“ sagte sie und runzelte die Stirn, so dass eben jene strengen Brauen noch enger zusammenrückten.
    „Verstehe ich das richtig, dass ich also weder sprechen, anfassen, einschüchtern noch schauen darf? Nun, nachdem Ihr geschaut habt, soviel Ihr wolltet“, erwiderte er und bemerkte zu seiner Befriedigung, dass ihr erneut das Blut in die Wangen stieg und sie mit einem rosa Hauch überzog, „wäret Ihr dann vielleicht so gütig, mir zu erklären, was, beim Blute Christi, hier verdammt noch einmal vorgeht ?“ Sie überwand die wenigen Fuß, die zwischen ihnen lagen, mit ein paar Schritten, blieb dicht vor ihm stehen, streckte ihre Hand aus und verschloss ihm mit ihren behandschuhten Fingerspitzen den Mund, ihn mit besorgter Miene zum Schweigen bringend.
    „Seid still, Ihr . . . das ist Blasphemie!“ zischte sie. Lieber Himmel, sie sprach sogar, als stamme sie aus einem Kloster. . .
    Die Tür wurde mit solcher

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