Rainer und die Puppenmutter
ausgemacht, daß ich dich fragen sollte, ob du uns einen Rat geben kannst. Denn mit dem Rainer ist das nicht mehr auszuhalten.“
„So?“ Lilo Jüngling lächelte spöttisch. „Du wolltest mich also fragen...“ Das „Du“ betonte sie so seltsam, daß Dita rot wurde.
Die Kinder versuchten nun, alle auf einmal zu erklären, was sie von Rainer wußten. Die Jungen aus der vierten Klasse saßen still da. Sie schämten sich. Sie hatten Rainer nur ein einziges Mal zum Gruppennachmittag eingeladen, und weil er nicht gekommen war, hatten sie sich nicht mehr um den „Neuen“ gekümmert.
Einige Jungen und Mädchen betonten, sie hätten schon oft versucht, mit Rainer auszukommen. Aber immer wäre er mit seinen Frechheiten ein Spielverderber gewesen. Andere wieder meinten, auf Mädchen höre er nicht. Nur Jungen könnten mit ihm fortig werden.
Rübchen erzählte, daß Rainer keine Mutter mehr habe und sein Vater ganz verzweifelt sei über den ungebärdigen Jungen. Dita versuchte dazwischenzureden, aber da rief Lilo Jüngling bestimmt: „Jetzt spricht Elke, hörst du es nicht? Du hast es doch auch nicht gern, wenn man dir dazwischenredet.“
Da war Dita beleidigt und zog einen Schmollmund. Sie nahm sich vor, kein Wort mehr zu sprechen. Und mit Rübchen wollte sie überhaupt nicht mehr reden. Und mit Bällchen auch nicht, denn die nickte immerzu mit dem Kopf, wenn Rübchen etwas sagte. So eine bodenlose Frechheit!
Schließlich hatten alle Kinder ihre Meinung gesagt und waren nun neugierig, was die Pionierleiterin raten würde.
Und sie ließ gar nicht lange auf sich warten.
„Wißt ihr was? Elke hat doch erzählt, daß Rainer zur Rodelbahn wollte. Wir könnten auch hingehen. Am Ende der Bahn ist eine Wiese, und auf der werden wir Schneemänner bauen. Und ich werde Rainer dazu einladen — mal sehen, ob er mitmacht. Wenn das aber nichts hilft, holen wir uns von der Ausleihstation Schlitten und veranstalten ein Wettrodeln. Da wird er bestimmt gern mittun wollen. Er rodelt doch so gern, daß er anderen sogar den Schlitten wegnimmt. So — wenn ihr mit meinem Vorschlag einverstanden seid, können wir jetzt gehen.“
Alle waren einverstanden. Einige aber meinten, es wäre vielleicht besser, gleich mit dem Rodeln anzufangen. Andere wieder sagten, daß die ganze Sache wohl ein Fehlschlag werden würde.
Dita ging schweigend zwischen den Kindern einher und schnitt ein bitterböses Gesicht. Als sie durch die Fischbachstraße kamen, brachte sie schnell ihre Puppe nach oben und eilte dann den Kindern nach. Sie wollte doch sehen, wie das mit Rainer ausging.
Die Familie Schneemann
Rainer und Rolf hatten sich in der Ausleihstation einen Schlitten geliehen und sausten munter bergabwärts.
Als sie nach vielen Fahrten wieder einmal unten ankamen, blieben sie erstaunt stehen.
Am Ende der Rodelbahn wimmelte eine ganze Horde Kinder durcheinander. Jungen, und Mädchen rollten Riesenschneebälle über die Wiese und türmten sie aufeinander.
„Die bauen einen Schneemann“, sagte Rolf.
„Na, laß sie“, rief Rainer.
Sie zogen den Schlitten wieder aufwärts.
Als sie aber nach dieser Fahrt wieder auf der Wiese anlangten, standen da schon zwei Schneemänner, und einem dritten wurde gerade der Kopf aufgesetzt.
„Die bauen wohl eine ganze Familie?“ fragte Rolf.
„Kann sein“, entgegnete Rainer. „Der eine Schneemann hat einen viel zu großen Kopf. Und dem anderen da, dem müßten sie einen Stock in die Hand geben, dann sieht er aus wie ein Großvater. Na, komm, fahren wir.“
Unterwegs brach Rainer wie zufällig einen starken Zweig von einem Strauch. Den Zweig nahm er mit, als sie wieder die Bahn hinunterbrausten.
Rainer fand, daß es schön war, wie sie da miteinander die Schneemänner bauten. Darum blieb er jetzt länger auf der Wiese stehen. Auch andere Kinder hatten das Rodeln unterbrochen und schauten zu, wie die Familie Schneemann sich vergrößerte.
Rainer drehte nachdenklich den Zweig zwischen den Händen.
Dann ging er entschlossen auf den Schneemann zu, von dem er meinte, er sei der Großvater. Er steckte ihm den Stock in den Arm und betrachtete befriedigt sein Werk.
Da stand auf einmal Fräulein Jüngling neben ihm und sagte freundlich: „Fein, daß du uns hilfst. Wir wollen nämlich eine ganze Familie bauen.“
„Ich helfe gar nicht“, antwortete Rainer verlegen, weil er merkte, daß alle Kinder zu ihm hinsahen.
„Schade“, meinte Fräulein Jüngling und machte ein ganz betrübtes Gesicht. „Ich
Weitere Kostenlose Bücher