Rajin (Drachenfluch Erstes Buch) (DrachenErde - 6bändige Ausgabe) (German Edition)
da ich ihre Sprache spreche. Ein gewöhnlicher Drachenier verfügt über genauso viel oder wenig magische Kräfte wie du und ich. Wären sie sonst dazu gezwungen, im Schweiße ihres Angesichts ihre Tätigkeiten zu verrichten wie unsereins, wenn es anders wäre?“
„Du redest so viel, dass man denken könnte, du müsstest Knoten in der Zunge haben!“, knurrte der Wilde Aeriggr. „Lernt man das auf der Sternenseher-Schule von Seeborg? Dann habe ich ja einiges zu erwarten, wenn mein dritter Sohn von dort zurückkehrt!“
„Ich spreche nur die Wahrheit“, sagte Bratlor. „Und der beste Beweis dafür ist, dass seit siebzehn Jahren ein Emporkömmling namens Katagi auf dem Drachenthron in Drakor residiert. Zwar versucht er krampfhaft, eine weitläufige Verwandtschaft zu seinem Vorgänger zu konstruieren, aber davon ist doch augenscheinlich nichts wahr. Doch hat man seitdem gehört, dass die drachenischen Kampfdrachen nicht mehr ihren Reitern gehorchen? Offenbar steckt nicht viel hinter all dem Gerede von magischem Blut.“ Er schüttelte in einer nahezu mitleidigen Geste den Kopf. „Aber die drachenische Propaganda scheint ihr Ziel ja erreicht zu haben, wenn sogar ein Mann, der sich den Beinamen ›der Wilde‹ verdient hat, einem Jungen mit drachenischen Augen die Macht über alles Mögliche zuschreibt. Warum nicht auch die Macht über das Wetter oder die Wassermenschen, deren wir uns in jedem Sommer erwehren müssen?“
Glednir Freistirn lachte verhalten – verstummte aber sofort, als Aeriggr ihm einen finsteren Blick zuwarf.
„Du versündigst dich an Njordir!“, zischte Aeriggr.
„So absurd es ist, Njordirs Macht über das Meer und das Wetter anzweifeln zu wollen, so absurd sind deine Ängste vor einem Paar schmaler dunkler Augen, Aeriggr“, entgegnete Bratlor ruhig.
Der Sternenseher gehörte zu Rajins engsten Gefährten unter den Männern der „Stoßzahnsammler“. Seit fünf Jahren diente er auf Wulfgars Schiff, nachdem er sich nach einem Streit um eine ausstehende Gewinnbeteiligung von seinem vorhergehenden Kapitän getrennt hatte. Er war der Einzige an Bord der „Stoßzahnsammler“, der nicht von Winterland stammte, sondern in Borghorst auf dem seemannischen Festland geboren worden war. Von allen Männern, die Rajin bisher kennengelernt hatte, war er mit Sicherheit derjenige, der am weitesten herumgekommen war, und die Reiseberichte des Sternensehers faszinierten ihn stets sehr. Es waren Erzählungen über die Luftschiffe der Tajimäer und die feuerspeienden Stahlrohre, die in die Mauern von Pendabar, der Hauptstadt Feuerheims, eingelassen waren und jeden Angriff zum Scheitern verurteilten. Er berichtete auch von den Wundern des Reiches Magus, dessen Bewohner über geistige Kräfte verfügten, die über alles hinausgingen, was sich ein einfacher winterländischer Seemammutjäger vorzustellen vermochte.
Besonders aber fesselten Rajin immer die Geschichten von den Küsten des Drachenlandes Drachenia. Von der erhabenen Armada von Kampfdrachen, die von stolzen Kriegern geritten wurden. Von Drachen mit Transportgondeln, die wertvolle Güter, wohlhabende Passagiere oder die Söldner des Kaisers innerhalb kurzer Zeit an jeden Ort des Reichs bringen konnten. Gerade diese Berichte waren wie Spiegelbilder dessen, was er vor seinem inneren Auge manchmal sah. Rajin hatte immer das Gefühl, all diese Dinge so zu kennen wie einer, der selbst in diesem fernen Land aufgewachsen war.
Ganz besonders hatte es ihn jedes Mal berührt, wenn Bratlor Sternenseher zur Belustigung der anderen Männer ein paar Worte in drachenischer Sprache hervorbrachte. Die Männer von Winterland machten sich dann über die angeblichen Barbaren Drachenias und deren Sprache, die sie an Tierlaute erinnerte, lustig – nicht ahnend, dass sie in Drachenia selbst als Barbaren galten.
Wulfgars Ziehsohn hatte stets das Gespräch mit Bratlor gesucht, aber leider hielt der Sternenseher Rajins Schweigen zu allem, was mit Drachenia in Verbindung stand, für Desinteresse und erzählte daher mehr über die Luftschiffe Tajimas und die Wunder Feuerheims. Dabei hätte Rajin durchaus gern mehr über jenes Land gehört, dessen Bewohner ihm angeblich so ähnlich sahen, dass manche sogar behaupteten, er wäre einer der ihren.
Es war der Bann des Weisen Liisho, der ihn daran hinderte, sich mit Bratlor über Drachenia zu unterhalten. So manches Mal hatte Rajin in jenen Momenten diesen Bann verflucht, doch schien es keinerlei Möglichkeit zu geben, diesen
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