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Raketenmänner (German Edition)

Raketenmänner (German Edition)

Titel: Raketenmänner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goosen
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Mülleimer. Man warf ja auch keine Bücher weg. Er fragte sich, wann er seiner Frau das letzte Mal eine Rose geschenkt hatte. Auf jeden Fall war es ziemlich lange her. Dabei hatte seine Frau es immer gemocht, wenn er ihr kleine Geschenke mitbrachte. Auch gegen Blumen hatte sie nie etwas gehabt. Es gab ja Frauen, die mochten keine Blumen, und auch Kamerke fand, es hatte was von einem gezeichneten Witz aus den Fünfzigerjahren, wenn Männer Blumen mit nach Hause brachten, weil es meistens darum ging, dass sie sich wegen irgendetwas entschuldigen mussten.
    Das Wetter fing an, Zicken zu machen, es ging auf den Herbst zu. Selten hatte Kamerke den Wechsel als so abrupt empfunden wie in diesem Jahr. Letzte Woche hatte er noch bis in die Nacht hinein auf der Dachterrasse eines Berliner Hotels gesessen, heute hatten sie vor den Lokalen schon die Heizpilze aufgestellt. Kamerke setzte sich in ein Café unter den Arkaden am Jungfernstieg und wartete. Kein besonders origineller Treffpunkt, aber er kannte sich nicht so gut aus und hatte keine Lust, sich mit öffentlichen Verkehrsmitteln durchzuschlagen.
    Eine Kellnerin kam und fragte ihn, ob sie den Heizpilz einschalten solle.
    »Es ist warm genug«, sagte Kamerke.
    »Manche Leute wollen jetzt schon, dass man den Heizpilz einschaltet.«
    »Ich nicht.«
    »Manche Menschen sind empfindlich.«
    »Mir ist es warm genug.«
    »Wenn Sie Ihre Meinung ändern, sagen Sie Bescheid.«
    »Einen Kaffee hätte ich gerne.«
    Im Weggehen warf die Kellnerin einen Blick auf die Rose, die Kamerke auf den Tisch gelegt hatte.
    Heizpilze hielt Kamerke sowieso für Schwachsinn. Wenn es warm genug war, setzte man sich nach draußen, wenn nicht, setzte man sich nach drinnen. Hinter der Idee des Heizpilzes steckte doch immer die naive Hoffnung, das Unabwendbare, in diesem Fall das Ende des Sommers, noch hinausschieben zu können. Wer Heizpilze für eine gute Idee hielt, tendierte wahrscheinlich auch schneller zu kosmetischen Operationen. Und hatte eine übertriebene Angst vor dem Tod.
    Die Kellnerin brachte den Kaffee. Natürlich im Kännchen. Das deprimierte Kamerke. Dinge, die sich einfach nicht änderten, deprimierten ihn.
    Sein Bruder kam wie üblich zu spät. Nur eine Viertelstunde, aber das reichte. Kamerke war sauer. Die Rose, der Heizpilz, das vermutliche Ende seiner Ehe, die Unpünktlichkeit seines Bruders.
    »Wartest du schon lange?«
    »Nein, nein, gerade erst gekommen.«
    »Ich bin spät dran. Bin aufgehalten worden.«
    »Kein Problem.«
    Kamerkes kleiner Bruder warf einen Blick auf die Rose. Kamerke machte eine wegwerfende Handbewegung. Er hatte keine Lust zu erzählen, was es mit dem Ding auf sich hatte.
    Sein Bruder bestellte einen Pfefferminztee. »Es ist etwas frisch«, sagte er. »Vielleicht sollten wir die Bedienung bitten, den Heizpilz einzuschalten.«
    »Du hast die Wahl«, sagte Kamerke. »Entweder der Heizpilz oder ich.«
    »Was hast du gegen das Ding?«
    »Es ist warm genug.«
    »Ich finde es etwas frisch.«
    »Du warst schon immer so empfindlich.«
    Die Kellnerin brachte den Pfefferminztee. Der Beutel hing schon im heißen Wasser, was Kamerke ein Unding fand, aber sein Bruder musste wissen, was er tat. Der rieb sich die Hände, als hätte er einen Tagesmarsch über ein Eisplateau in der Arktis hinter sich. Die Kellnerin zeigte wortlos auf den Heizpilz. Kamerkes Bruder schüttelte den Kopf.
    Und erzählte von seiner Frau und seinen Kindern. Kamerke fand seine Schwägerin sehr anstrengend. Ständig in Bewegung, immer nervös, weitgehend humorlos. Sie hatte Kamerke vor einigen Jahren zu verstehen gegeben, dass sie es nicht schätzte, wenn er bei ihnen auf dem Sofa übernachtete. Das bringe den ganzen familiären Ablauf durcheinander. Und das, obwohl er sich immer schon um sechs Uhr aus den Federn gequält hatte, damit alles aufgeräumt war, wenn seine Schwägerin aufstand, um den Kindern das Frühstück zu machen, bevor diese in die Schule gingen. Seine Schwägerin aber war der Meinung, dass Kamerke genug Geld habe, um sich ein Hotel leisten zu können. Wobei sie es so nicht ausdrückte. Sie sagte: »Ursula hat doch genug Geld. Du kannst dir ein Hotel leisten.«
    Das hatte er diesmal getan. Aber das war auch etwas anderes, schließlich war er beruflich hier.
    Sein Bruder fragte ihn, wie es ihm gehe, und Kamerke war sofort klar, dass der Bruder wusste, was los war.
    »Hast du mit ihr gesprochen?«, fragte Kamerke.
    »Gestern Abend.«
    »Also weißt du, was los ist.«
    »Sie sagt, sie

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