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Raketenmänner (German Edition)

Raketenmänner (German Edition)

Titel: Raketenmänner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goosen
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blöd vor.
    Frohnberg runzelte die Stirn. Bevor er etwas erwidern konnte, trat ein anderer Mitarbeiter an ihn heran und verwickelte ihn in ein Gespräch. Ritter rückte am Büfett weiter, nahm sich ein paar kalte Häppchen und setzte sich zu einigen Kollegen, die ihm im Gespräch die Zusage abrangen, heute auf jeden Fall noch in der Hotelbar vorbeizuschauen.
    Auf seinem Zimmer zog er sich bis auf die Unterwäsche aus und fühlte sich plötzlich leicht und kühl und hautkrebsfrei. Er legte sich aufs Bett und schaltete sich durch alle Fernsehprogramme, bis es an der Zeit war, sich noch einmal mit seinem Vortrag zu beschäftigen.
    Natürlich hatte er die Kombination für den Zimmersafe vergessen, also suchte er in seinem Anzug nach dem Zettel, auf dem er sich die vier Ziffern heute Morgen notiert hatte. Er stülpte die Taschen nach außen, konnte aber nichts finden. Auch nicht im Portemonnaie. Plötzlich fiel ihm ein, dass ihm heute Mittag, bei der zweiten Kontrolle, etwas zu Boden gefallen war, das er später hatte aufheben wollen, wozu es aber nicht gekommen war. Das musste der Zettel gewesen sein.
    Ritter legte sich wieder aufs Bett und starrte an die Decke. Nach einer halben Stunde raffte er sich auf und zog seinen Anzug an. Sofort waren die Hitze und das Jucken wieder da. Er fuhr mit dem Fahrstuhl nach unten. Hinter dem Tresen der Rezeption standen zwei Männer.
    Das ging gar nicht.
    Einer Frau hätte er seine Blödheit vielleicht beichten können, nicht aber einem Mann.
    Ritter warf einen Blick in die Hotelbar. Dort hieß es: Hoch die Tassen . Blumberg und Reif natürlich mittenmang. Glückskinder, immer auf der Sonnenseite unterwegs.
    Frohnberg saß etwas abseits, ganz allein, und trank Rotwein.
    Ich muss raus hier, dachte Ritter.
    Draußen war es inzwischen dunkel geworden. Er ging zur Hauptstraße und sah sich um. Vor dem Café saßen immer noch die Männer und tranken Tee aus Gläsern oder Glastassen. Ritter blieb stehen und fixierte die Gefäße. Er musste diesem Rätsel auf die Spur kommen.
    »Was ist das?«, fragte er einen der Männer, einen älteren Herrn, der mit einer Gebetskette spielte und einen grauen Anzug trug. »Ist das ein Glas oder eine Glastasse?«
    »Ist Tee!«
    »Ja, ja, das ist schon klar, aber die Gefäße, wie nennt man die?«
    »Ist einfach Tee.«
    Ritter zögerte. »Ach so. Ja, vielen Dank. Einen schönen Tag noch.«
    Das wäre ein Leben, dachte er: den ganzen Tag vor einem Café sitzen, Tee trinken, und die Leute auf dem Bürgersteig betrachten, zwischendurch vielleicht über Politik und Fußball streiten und langsam wegnicken, um am nächsten Morgen wieder von vorne anzufangen.
    Während er noch darüber nachdachte, dass sein eigenes Leben in einen kleinen Hotelsafe passte und er hier und jetzt auch eigentlich sterben könnte, sah er auf der anderen Straßenseite das Mädchen. Es kehrte an den Tatort zurück. Er sah ihre schwarzen Haare und den ganzen schwarzen Rest über die Straße und auf den Eingang der U-Bahn zugehen und folgte ihr die Treppe hinunter. Sie ging etwa bis zur Mitte des Bahnsteigs und stand einfach da. Sie starrte auf die Schienen wie Ritter vorhin auf den Tee. Sie sah ihn nicht und hätte ihn sicher auch nicht erkannt. Man konnte sich ja nicht jeden Idioten merken, dem man einen gefälschten Fahrschein verkaufte.
    Der nächste Zug kam, die Türen öffneten sich, das Mädchen stieg ein. Bevor Ritter darüber nachdenken konnte, hatte er es ihr nachgetan. Das Mädchen betrachtete während der Fahrt ihre Stiefel, Ritter las die Werbung über den Köpfen der anderen Fahrgäste und kratzte sich da und dort. Er hatte den Eindruck, der Anzug sei etwas weiter als heute Morgen, als wollten sie, Anzug und Träger, sich voneinander lösen. Fragt sich nur, dachte Ritter, wer von wem. Wahrscheinlich er von mir. Auch dieser Anzug hält es mit mir nicht mehr aus.
    Am Kottbusser Tor stieg das Mädchen aus und ging hoch zur U1. Auf dem Bahnsteig mussten sie ziemlich lange warten. Ritter hatte den Eindruck, früher habe das hier alles besser funktioniert, da hockte man nicht ständig auf Bahnsteigen und wartete. Seine Schwester schwärmte noch heute davon, wie toll Berlin, also der Westen, vor dem Mauerfall gewesen sei. Diese sehr eigene Atmosphäre. Eingemauert und doch auch wieder nicht. All die Leute, die hierherkamen, um sich neu zu erfinden, manche, ohne es vorher geplant zu haben. Ritter hatte das nie interessiert.
    Die U-Bahn kam, das Mädchen stieg ganz vorne in den Wagen ein,

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