Rambo
Rundfunkstationen und in den Zeitungen an die Bevölkerung appellierten, sich an der Suche zu beteiligen, so daß jeder Armleuchter, der etwas erleben und sich kostenlos den Bauch vollschlagen wollte, angelaufen kam.«
Teasle war fest entschlossen, sich nicht hinzulegen. Aber die Glühbirne schien plötzlich dunkler zu werden, und die Bank, auf der er saß, begann zu schwanken. Er schloß deswegen eine Art Kompromiß, indem er sich mit dem Rücken an die Wand des LKW lehnte, als wolle er sich nur bequem hinsetzen. »Viertausend kamen«, erzählte er. Er gab sich Mühe, jedes Wort deutlich auszusprechen. »Kein Platz zum Schlafen oder etwas zu essen für so viele Leute. Unmöglich, irgend etwas zu koordinieren. Das Städtchen wuchs über Nacht und platzte aus allen Nähten. Die meisten betranken sich und erschienen morgens verkatert bei den Autobussen, die sie zu dem Gelände bringen sollten. Einer ertrank fast im Sumpf. Eine ganze Gruppe verlief sich, und man mußte die Aktion abbrechen, um sie zu suchen. Schlangenbisse. Gebrochene Beine. Hitzschlag. Zum Schluß herrschte so ein Durcheinander, daß man alle Zivilisten wieder nach Hause schickte und die Polizei allein weitersuchen ließ.«
Er steckte sich eine Zigarette an und nahm einen tiefen Zug, um seine Benommenheit zu überwinden. Er sah, daß der Funker und der Polizist ihm gespannt zuhörten. Wie lange hatte er die Geschichte schon ausgesponnen? Es erschien ihm wie zehn Minuten, konnte aber nicht so lange gedauert haben.
»Erzählen Sie doch weiter«, sagte Kern. »Was war mit dem Mädchen? Haben Sie es gefunden?«
Teasle nickte bedächtig. »Sechs Monate später. In einer flachen Kuhle an einer Seitenstraße. Etwa einen Kilometer entfernt von der Stelle, wo man die Suche abgebrochen hatte. Irgendein alter Kerl besoff sich in einer Kneipe in Louisville und gab damit an, daß er gern kleine Mädchen betaste, und wir hörten davon. Niemand glaubte ernsthaft daran, daß es da einen Zusammenhang gab, aber wir gingen der Sache trotzdem nach. Ich hatte seinerzeit dem Suchtrupp angehört und kannte den Fall, und man beauftragte mich, ihn zu verhören. Nachdem ich den Kerl vierzig Minuten in die Mangel genommen hatte, gab er alles zu. Er war an dieser Farm vorbeigefahren und hatte das kleine Mädchen gesehen, das vor dem Haus in einem Plastikschwimmbecken herumplanschte. Er erzählte mir, daß ihm ihr gelber Badeanzug besonders gefallen hatte, und er hatte sie ganz einfach ins Auto gezerrt, ohne daß es jemand bemerkt hätte. Er führte uns direkt an die Stelle, wo er sie vergraben hatte. Es war schon das zweite Grab. Das erste war mitten auf dem Gelände gewesen, das abgesucht werden sollte, und während all diese Zivilisten sich dort herumtrieben und über ihre eigenen Füße stolperten, war er eines Nachts gekommen und hatte sie in ein anderes Grab verlegt.« Er nahm noch einen tiefen Zug aus seiner Zigarette und spürte, wie der Rauch ihm durch den Hals strömte. Die Zigarette war zwischen seine dick bandagierten Finger geklemmt. »Diese Zivilisten werden auch jetzt alles versauen. Man hätte die Sache nicht bekanntgeben dürfen.«
»Es ist meine Schuld. Da ist ein Reporter, der immer zu mir ins Büro kommt, und der hörte, wie sich meine Leute über den Fall unterhielten, bevor ich sie zum Schweigen bringen konnte. Ich habe ein paar Leute eingesetzt, die alle Unbefugten in die Stadt zurückschicken.«
»Und die, die bereits im Wald sind? Wenn die wieder nervös werden, sind sie imstande und schießen aus Versehen auf Ihre Leute. Sie können gar nicht alle zusammentreiben. Morgen früh laufen die Zivilisten überall hier in den Bergen rum. Sie haben ja selbst gesehen, wie sie sich in der Stadt aufführen. Es sind so viele, daß man sie gar nicht unter Kontrolle bringen kann. Und es kommt noch schlimmer. Warten Sie nur, bis die Profis da sind.«
»Was meinen Sie mit >Profis Wer, zum Teufel, soll denn das sein?«
»In Wirklichkeit sind es Amateure, aber sie nennen sich Profis. Das sind Kerle, die nichts Besseres zu tun haben, als überall im Land herumzureisen, dorthin, wo jemand gesucht wird. Ein paar von ihnen habe ich getroffen, als wir das kleine Mädchen suchten. Einer war gerade aus den Everglades gekommen, wo sich eine Gruppe Camper verirrt hatte. Davor war er in Kalifornien gewesen und hatte geholfen, eine Familie zu retten, die beim Picknick von einem Buschfeuer überrascht worden war. Im Winter war er in Wyoming gewesen, als ein paar Skiläufer
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