RAMSES 1 - Der Sohn des Lichts
verdrängen!
Ramses’ Ansehen verblaßte mehr und mehr.
»Was für ein zerknirschtes Gesicht!« wunderte sich
Chenar, als er Dolente ansah. »Bist du etwa unglücklich?«
»Mehr, als du dir vorstellen kannst.«
»Geliebte Schwester, willst du es mir nicht sagen?«
»Mein Mann und ich sind aus Memphis verbannt.«
»Soll das ein Scherz sein?«
»Ramses hat uns gedroht.«
»Ramses! Unter welchem Vorwand?«
»Mit Hilfe seines verfluchten Freundes Ameni
beschuldigt er Sary übelster Machenschaften. Wenn wir ihm nicht gehorchen, wird
er uns vor Gericht schleifen.«
»Hat er Beweise in Händen?«
Dolente verzog den Mund.
»Nein, nur ein paar nichtige Behauptungen. Aber du
kennst die Richter, sie könnten zu unseren Ungunsten entscheiden.«
»Soll das bedeuten, daß du und Sary tatsächlich eine
Verschwörung gegen Ramses angezettelt habt?«
Die Prinzessin zögerte.
»Ich bin kein Richter, sag mir die Wahrheit,
Schwesterchen.«
»Wir haben da etwas angezettelt, das stimmt schon,
aber ich schäme mich dafür nicht! Ramses wird uns alle, einen nach dem anderen,
stürzen!«
»Weine nicht, Dolente, ich bin mir dessen wohl
bewußt.«
Sie jammerte und klagte bitterlich.
»Du nimmst uns das also nicht übel?«
»Im Gegenteil, ich bedaure, daß euer Versuch
gescheitert ist.«
»Ramses hatte dich für den Schuldigen gehalten.«
»Er weiß, daß ich ihn hintergangen habe, aber er
glaubt, ich hätte die Kampfeslust verloren.«
»Würdest du Sary und mich als Verbündete annehmen?«
»Das wollte ich dir gerade vorschlagen.«
»Aber in der Provinz werden wir zur Ohnmacht verdammt
sein!«
»Das ist nicht sicher. Ihr werdet in einem Haus bei
Theben wohnen, das mir gehört, und dort werdet ihr Verbindungen knüpfen zu den
hohen Beamten und Priestern, die Ramses nicht gerade mit Wohlgefallen sehen.
Man muß sie überzeugen, daß seine Thronfolge nicht unvermeidbar ist.«
»Du bist mir eine wirkliche Stütze.«
Chenars Blick wurde argwöhnisch.
»Diese angezettelte Verschwörung – wem genau hätte sie
genützt?«
»Wir wollten nur Ramses ausschalten.«
»Du wolltest deinen Mann auf den Thron befördern,
nicht wahr? Unter Berufung auf deine Stellung als Tochter des Pharaos! Als
meine Verbündete mußt du derlei Hirngespinste allerdings aufgeben und dich
einzig und allein in meine Dienste stellen. Ich werde nämlich am Ende regieren,
und an jenem Tage werden meine Getreuen ihren verdienten Lohn erhalten.«
Bevor Acha in die Ostländer zurückkehrte, nahm er noch
an einem jener prunkvollen Empfänge teil, die Chenar zu geben pflegte. Man
kostete von erlesenen Speisen, lauschte wundervollen Musikdarbietungen,
tauschte Vertrauliches aus und entrüstete sich über den Regenten und seine
junge Gemahlin, während man auf Sethos ein Loblied sang. Niemand wunderte sich,
daß der ältere Sohn des Königs mit dem jungen Gesandten plauderte, über den
seine Vorgesetzten weiterhin nur Gutes zu berichten wußten. »Deine Beförderung
ist so gut wie sicher. In weniger als einem Monat wirst du Verhandlungsführer
für die Angelegenheiten in den Ostländern sein. In deinem Alter ist das
wahrlich eine Auszeichnung.«
»Wie kann ich dir danken?«
»Indem du mich weiterhin auf dem laufenden hältst.
Warst du eigentlich bei Ramses’ Hochzeit?«
»Ja, mit seinen getreuesten Freunden.«
»Hat man dir irgendwelche peinlichen Fragen gestellt?«
»Keine einzige.«
»Du genießt also weiterhin sein Vertrauen?«
»Ganz sicher.«
»Wollte er von dir über die Ostländer unterrichtet
werden?«
»Nein, er wagt es nicht, seinem Vater zuvorzukommen,
und widmet sich lieber seiner jungen Gemahlin.«
»Hast du bei deinen Gesprächen Fortschritte gemacht?«
»Ganz entscheidende sogar, etliche kleinere
Fürstentümer würden dich liebend gern unterstützen, sofern du dich großzügig
erweist.«
»Wollen sie Gold?«
»Das wäre höchst willkommen.«
»Über Gold verfügt allein der Pharao.«
»Aber es ist dir doch nicht verboten, durch mich
bedeutsame Versprechungen zu machen, auf geheimen Wegen sozusagen.«
»Ein glänzender Einfall.«
»Bis du die Macht übernimmst, wird mein Wort eine
gefährliche Waffe sein. Ich werde dich beschreiben als den einzigen
Thronanwärter, der in der Lage ist, es allen recht zu machen. Und wenn der Tag
gekommen ist, wählst du dir deine Getreuen aus.«
Zur Überraschung des Hofes änderten weder Nefertari
noch Ramses ihre Lebensweise. Der Regent arbeitete weiter im Schatten seines
Vaters und seine
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