RAMSES 1 - Der Sohn des Lichts
Gemahlin im Dienste Tujas. Chenar erklärte, dies sei wahrhaft
listig und geschickt, denn bei dieser augenscheinlichen Unterwürfigkeit könnte
weder König noch Königin argwöhnen, daß sie Schlangen am Busen nährten.
Das Netz, das er spann, verdichtete sich allmählich.
Moses auf seine Seite zu ziehen war Chenar allerdings noch nicht gelungen, aber
die Gelegenheit würde schon noch kommen.
Und da gab es noch jemanden, den er vielleicht für
sich gewinnen könnte. Es war dies ein heikles Unterfangen, doch der Versuch
lohnte sich.
Am Tag der Eröffnung eines großen Weihers im Harim
Mer-Our, wo in Zukunft die jungen Mädchen nach Herzenslust baden und Boot
fahren dürften, begrüßte Chenar Iset, die Schöne, die unter den Ehrengästen
weilte. Ihre Schwangerschaft war jetzt deutlich sichtbar.
»Wie geht es dir?«
»Ich fühle mich wundervoll, ich werde einen Sohn
gebären, der Ramses alle Ehre machen wird.«
»Hast du Nefertari schon kennengelernt?«
»Eine hinreißende Frau. Wir sind Freundinnen.«
»Deine Stellung…«
»Ramses wird zwei Gemahlinnen haben. Wenn er mich
liebt, verzichte ich gern auf die Rolle der Königin.«
»Ein edler Zug an dir, er rührt mich, aber angenehm
dürfte das nicht sein.«
»Du wirst Ramses und die, die ihn lieben, niemals
verstehen, Chenar.«
»Ich beneide meinen Bruder um sein Glück, aber an
deinem Glück wage ich zu zweifeln.«
»Ihm einen Sohn und Nachfolger zu schenken, ist das
nicht der schönste Ruhm?«
»Nur nicht so voreilig, Ramses ist noch nicht Pharao.«
»Solltest du Sethos’ Entscheidung in Frage stellen?«
»Natürlich nicht, aber die Zukunft ist voller
Ungewißheiten. Du bist mir sehr teuer, meine Liebe, und das weißt du auch.
Ramses hat sich dir gegenüber doch ungeheuer grausam verhalten. Deine Anmut,
deine Klugheit und deine adelige Abstammung sicherten dir doch das Anrecht auf
die Rolle der großen königlichen Gemahlin.«
»Diesen Traum träume ich nicht mehr, mir ist es lieber
so, wie es ist.«
»Bin ich denn ein Traum? Was Ramses dir genommen hat,
werde ich dir zurückgeben.«
»Wie könntest du so etwas wagen, da ich doch sein Kind
trage?«
»Denk darüber nach, Iset, überleg es dir gut.«
Trotz vorsichtiger Annäherungsversuche und durch
Mittelsmänner überbrachter verlockender Angebote war es Chenar nicht gelungen,
einen der Leibärzte Sethos’ zu dingen. Sie waren unbestechlich, denn sie
fürchteten Sethos mehr als seinen älteren Sohn. Des Pharaos Gesundheit war ein
Staatsgeheimnis, und jedes Ausplaudern würde streng geahndet werden.
Da er an die Ärzte nicht herankam, wählte Chenar einen
anderen Weg. Die Herstellung der Arzneien, die sie verordneten, oblag den
Tempelapotheken.
Die richtige herauszufinden erforderte viel
Fingerspitzengefühl, aber es gelang. Im Sachmet-Heiligtum wurden die Heiltränke
und Arzneien für Sethos hergestellt. Den Vorsteher der Arzneikammer, diesen
alten, verwitweten und wohlhabenden Mann, zu bestechen barg zu viele Gefahren,
doch bei seinen Gehilfen wurde man fündig. Einer von ihnen, etwa vierzig Jahre
alt und mit einer jüngeren Frau verheiratet, beklagte seinen spärlichen Lohn,
der es ihm nicht gestattete, in ausreichender Zahl Kleider, Schmuck und
Schönheitssalben zu kaufen.
Dieser Mann war eine leichte Beute.
Anhand der Arzneien, die im Sachmet-Heiligtum für
seinen Vater angerührt und gemischt wurden, vermochte Chenar zu erkennen, daß
Sethos an einer zwar schleichenden, doch schweren Krankheit litt. In drei,
spätestens vier Jahren wäre der Thron verwaist.
Zur Erntezeit opferte Sethos der Schutzgöttin eine
Schale Wein. Die Basaltstatue der glücksbringenden Kobra wachte über die
Felder. Die Bauern versammelten sich rings um den König, dessen Anwesenheit als
Gnade empfunden wurde. Der Herrscher liebte diese Zusammentreffen mit dem
einfachen Volk, hier fühlte er sich wohler als in Gesellschaft der meisten
seiner Höflinge.
Als die Feier beendet war, huldigte man der Göttin der
Fruchtbarkeit, dem Gott des Korns und dem Pharao, der allein es ihnen
ermöglichte, Gestalt anzunehmen. Ramses sah, wie beliebt sein Vater im Volk
war. Die hohen Amtsinhaber fürchteten Sethos, das Volk verehrte ihn.
Sethos und Ramses ließen sich in einem Palmenhain an
einem Brunnen nieder. Eine Frau brachte ihnen Trauben, Datteln und kühles Bier.
Der Regent hatte das Gefühl, daß der König hier ein wenig Ruhe suchte, fernab
vom Hof und von den Staatsgeschäften. Hatte er nicht die Augen geschlossen,
Weitere Kostenlose Bücher