RAMSES 1 - Der Sohn des Lichts
Stimme schien den Hengst zu beruhigen. Dem Mann
gelang es, an das Pferd heranzutreten, dessen Schönheit Ramses’ Bewunderung
weckte.
»Wie heißt er?«
»Gott Amun hat ihm Tapferkeit befohlen, er ist mein
Lieblingspferd«
Das war nicht Bakhen, der Ramses geantwortet hatte. Es
war eine Stimme hinter ihm, eine Stimme, bei der ihm das Blut in den Adern
stockte.
Ramses wandte sich um und verneigte sich vor seinem
Vater, Pharao Sethos.
ZWÖLF
»WIR REISEN AB, RAMSES.« Der Prinz traute seinen Ohren
nicht, doch er konnte seinen Vater nicht bitten, die drei magischen Worte, die
er soeben gesprochen hatte, nochmals zu wiederholen. Einen Augenblick lang
schloß er die Lider, so groß war sein Glück.
Sethos ging bereits auf sein Pferd zu, das jetzt
seelenruhig stand. Der Pharao band es los, das Tier folgte ihm und ließ sich
vor den leichten Wagen spannen. Am Haupttor der Kaserne stand die Leibgarde des
Königs Wache.
Der Prinz stieg ein, links vom Vater.
»Nimm die Zügel.«
Stolz wie ein Sieger lenkte Ramses das königliche
Gefährt bis zur Anlegestelle der Flottille, die gen Süden auslaufen sollte.
Ramses war keine Zeit geblieben, Ameni zu
verständigen. Und was würde Iset, die Schöne, denken, wenn sie zu ihrem
Liebesnest, der Schilfhütte, kam und er nicht da war? Aber all das war
unwichtig im Vergleich zu dem unverhofften Glück, an Bord des königlichen
Schiffes zu reisen, das dank des kräftigen Nordwinds schnell vorankam!
Als königlicher Schreiber sollte Ramses über die
Expedition berichten und alle Einzelheiten im Bordtagebuch festhalten. Mit
Eifer ging er an seine Aufgabe heran, gefesselt von den Landschaften, die sich
hier eröffneten. Es war weit von Memphis bis zum Gebel Silsileh, dem Ziel der
Reise. Siebzehn Tage lang berauschte sich der Prinz an der Schönheit der
Nilufer, den friedlichen, auf Hügelkuppen entlang dem Fluß errichteten Dörfern,
arn Schimmern des Wassers. Ägypten bot sich ihm dar, unwandelbar, lebensfroh,
dazu angetan, auch dem Geringsten Würde zu verleihen.
Während der ganzen Reise sah Ramses seinen Vater
nicht. Tage vergingen wie Stunden, das Bordtagebuch wurde immer dicker. In
diesem sechsten Jahr der Regierungszeit Sethos’ gingen tausend Soldaten,
Steinmetze und Seeleute am Gebel Silsileh von Bord. Hier lagen die größten
Sandsteinbrüche des Landes. Die von Hügeln überwölbten Ufer standen so eng, daß
nur eine schmale Fahrrinne blieb. Der Fluß grub sich hindurch, gefährliche
Stromschnellen ließen Schiffe kentern und Schwimmer ertrinken.
Vom Bug seines Schiffes aus beobachtete Sethos das
Kommen und Gehen der Expeditionsteilnehmer. Unter Anleitung der
Mannschaftsführer luden sie Kisten voller Werkzeug und Vorräte aus . Sie sangen, feuerten einander an und
arbeiteten im Gleichklang.
Bevor der Tag zur Neige ging, verkündete ein
königlicher Bote, seine Majestät gewähre jedem Arbeiter fünf Pfund Brot pro
Tag, cm Bund Gemüse, ein Stück gebratenes Fleisch, Sesamöl, Honig, Feigen,
Trauben, Dörrfisch, Wein und zwei Säcke Korn pro Monat. Die Erhöhung der
Zuteilung spornte die Männer an, jeder war bedacht, sein Bestes zu geben.
Die Steinhauer schälten Block um Block heraus, nachdem
sie kleine Schneisen in das Sandsteingebirge geschlagen hatten, um dem Fels die
Stücke zu entreißen. Bei dieser Arbeit durfte nichts dem Zufall überlassen
werden. Die Mannschaftsführer erkundeten die Äderung des Gesteins und ritzten
Zeichen ein, die den Männern als Anhaltspunkte dienten. Manchmal, wenn es um
sehr große Blöcke ging, wurden Keile aus angefeuchtetem Holz in die Masse
getrieben, nachdem waagerechte Kerben angelegt worden waren. Wenn das Holz
trocknete, übte es einen so starken Druck aus, daß der Stein sich mit einem
Schlag lösen ließ.
Einige der Blöcke wurden den Steinmetzen gleich an Ort
und Stelle überantwortet. Andere ließ man auf stark geneigten Rutschen zum Ufer
hinabgleiten. Lastschiffe beförderten sie dann weiter zur Tempelbaustätte, für
die sie gedacht waren.
Ramses wußte nicht mehr, wo ihm der Kopf stand. Wie
konnte man all das beschreiben und auflisten, was diese Männer unermüdlich
leisteten? Er wollte seinen Auftrag aber dennoch tadellos erfüllen und machte
sich daher mit den Gepflogenheiten des Handwerks vertraut, schaute diesen
rauhen Kerlen über die Schulter, ohne sie bei ihrer Arbeit zu stören, erlernte
ihre Sprache und wußte bald die Zeichen ihrer Zünfte zu unterscheiden. Als sie
ihm einen Hammer und einen
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