RAMSES 1 - Der Sohn des Lichts
fröhlichen Sprüngen feierte.
»Vater…«
»Handle.«
Wächters Augen baten um Liebkosungen und Zärtlichkeit.
»Ich weigere mich.«
»Bist du dir bewußt, was deine Antwort bedeutet?«
»Ich möchte in die Zunft der Steinhauer eintreten und
niemals mehr in den Palast zurückkehren.«
»Solltest du wegen eines Hundes auf deinen Stand
verzichten?«
»Er hat mir sein Vertrauen geschenkt, ich schulde ihm
Schutz.«
»Folge mir.«
Auf einem schmalen Pfad stiegen Sethos, Ramses und
Wächter den Hügel hinauf bis zu einer Felsnase hoch über dem Steinbruch.
»Hättest du deinen Hund gemordet, wärst du der
jämmerlichste aller Zerstörer gewesen. Durch dein Verhalten hast du eine weitere
Stufe erklommen.«
Ramses war außer sich vor Freude.
»Hier werde ich beweisen, was ich wert bin!«
»Du irrst.«
»Ich bin fähig, hart zu arbeiten!«
»Steinbrüche wie dieser verleihen unserer Zivilisation
Bestand. Ein König muß sie häufig aufsuchen, sich vergewissern, daß Steinhauerund Steinmetze das Werk gemäß der
Regel fortführen, damit die Behausungen der Gottheiten verschönert werden und
sie auf Erden verweilen. Im Umgang mit Männern des Handwerks bildet sich das
Verständnis fürs Regieren heraus. Stein und Holz lügen nicht. Der Pharao wurde
von Ägypten erschaffen, der Pharao erbaut Ägypten; er baut und baut weiter,
denn den Tempel zu erbauen ist die edelste Tat der Liebe.«
Jedes Wort Sethos’ war ein funkelndes Licht, das
Ramses’ Horizont erweiterte, und er labte sich daran wie ein Reisender, der
seinen Durst an einer Quelle frischen Wassers stillt.
»Dann ist dies hier mein Platz.«
»Nein, mein Sohn, Gebel Silsileh ist nur ein
Sandsteinbruch. Granit, Alabaster, Kalkstein, anderes Gestein und andere
Baustoffe fordern deine Anwesenheit. Du darfst dich in keinen Unterschlupf
flüchten, auch nicht in eine Zunft. Es ist Zeit, wieder gen Norden zu fahren.«
DREIZEHN
in der weiträumigen Schreibstube, die ihm zur Verfügung stand, ordnete
Ameni die Aufzeichnungen über die erhaltenen Auskünfte. Nachdem er hier und da
geschnüffelt und eine Vielzahl kleiner, mehr oder minder redseliger Beamter
befragt hatte, freute er sich jetzt an den zusammengetragenen Ergebnissen. Sein
Spürhundinstinkt sagte ihm, daß die Wahrheit in Reichweite lag. Daß Betrug
vorlag, daran bestand kein Zweifel. Doch wer strich den Ertrag der
Unterschlagungen ein? Bekäme er einen Beweis in die Hände, würde er nicht
lockerlassen und den Schuldigen seiner Strafe zuführen.
Während er zu wiederholtem Male die Holztäfelchen las,
erschien Iset, die Schöne, im Türrahmen.
Verlegen erhob sich Ameni. Wie verhielt man sich vor
diesem Holzen jungen Mädchen?
»Wo ist Ramses?« fragte sie angriffslustig.
»Ich weiß es nicht.«
»Ich glaube dir nicht.«
»Es ist die Wahrheit.«
»Es heißt, Ramses habe keinerlei Geheimnis vor dir.«
»Wir sind Freunde, aber er hat Memphis verlassen, ohne
mich zu verständigen.«
»Unmöglich!«
»Selbst aus Gefälligkeit würde ich nicht lügen.«
»Du scheinst nicht besorgt.«
»Warum sollte ich?«
»Du weißt, wo er ist, und weigerst dich, es mir zu
sagen!«
»Diese Beschuldigung trifft mich zu Unrecht.«
»Ohne ihn genießt du keinerlei Schutz.«
»Ramses wird zurückkommen, darauf können wir uns
verlassen. Wäre ihm ein Unglück zugestoßen, hätte ich es gespürt. Zwischenihm
und mir bestehen unsichtbare Bande, daher bin ich nicht besorgt.«
»Du willst mich zum Narren halten!«
»Er wird zurückkommen.«
Bei Hof gingen Gerüchte um. Die einen behaupteten,
Sethos habe Ramses in den Süden verbannt, andere sprachen von einem Auftrag,
der darin bestand, den Zustand der Deiche vor der nächsten Flut zu überprüfen.
Iset, die Schöne, kochte vor Zorn. Ihr Geliebter hatte sie lächerlich gemacht,
sie verhöhnt! Als sie die Schilfhütte, wo sie ihn treffen sollte, leer fand,
hatte sie zunächst an einen Scherz geglaubt und überall vergeblich nach Ramses
gerufen. Und plötzlich war ihr, als kämen aus allen Ecken und Enden Kröten,
Schlangen und streunende Hunde herbei, und sie war geflohen, von Angst gejagt.
Sie hatte sich in ihren eigenen Augen lächerlich
gemacht, und das alles wegen dieses unverschämten jungen Prinzen, um den sie
sich aber doch so sorgte! Wenn Ameni nicht log, war Ramses in eine Falle
geraten.
Ein Mann, ein einziger, kannte die Wahrheit.
Chenar beendete gerade sein Mittagsmahl, die köstliche
gebratene Wachtel war eine Gaumenfreude
Weitere Kostenlose Bücher