RAMSES 1 - Der Sohn des Lichts
unverbrüchliche
Treue und ihre unbeirrbare Ergebenheit bekundet. Als Tribut hatte Sethos Zedern
erster Güte gefordert, um neue Masten vor den Tempeln zu errichten und etliche
Götterbarken anfertigen zu lassen, die in der Prozession mitgeführt werden
sollten. Einstimmig erklärten die Fürsten des Libanon den Pharao zur
Inkarnation von Re, dem göttlichen Licht, das auch ihnen Leben spendete.
Dank seines schnellen Eingreifens war Sethos, ohne auf
Widerstand zu stoßen, in Syrien eingedrungen. Der Hethiterkönig Muwatalli hatte
keine Zeit gefunden, erfahrene Soldaten zusammenzutrommeln, und hatte es
vorgezogen, die Lage aus der Ferne zu beobachten. Daher standen die Tore der
befestigten Stadt Kadesch offen, obgleich sie die Macht der Hethiter
verkörperte; doch da man unvorbereitet war, hätte sie mehreren Angriffswellen
nicht standgehalten. Zum Erstaunen seiner Generäle hatte Sethos nichts weiter getan,
als mitten in Kadesch eine Stele zu errichten, anstatt die Festung
niederzureißen. Unterschwellig war Unmut laut geworden, und man fragte sich,
worauf dieses unglaubliche Verfahren wohl hinauslaufen sollte.
Sobald die ägyptische Armee aus Kadesch abgerückt war,
zog Muwatalli mit einem mächtigen Heer von neuem in die Festung ein und
unterstellte sie wieder hethitischer Oberhoheit.
Dann wurden Verhandlungen aufgenommen. Um einen
blutigen Zusammenstoß zu vermeiden, kamen die beiden Herrscher durch Vermittlung
ihrer Gesandten überein, daß die Hethiter im Libanon und in den phönizischen
Häfen keinen Aufruhr mehr schüren und die Ägypter Kadesch und das Umland nicht
mehr angreifen würden.
So herrschte vorerst Frieden zwischen den Ländern.
Als künftiger Thronfolger und neuer Kriegsherr hatte
Chenar den Vorsitz bei einem Festmahl, zu dem mehr als tausend Gäste geladen
waren. Genüßlich ergötzte man sich an dem köstlichen Essen, an dem
hervorragenden Wein und am Anblick der graziösen Körper junger, nackter Tänzerinnen,
die sich im Klang der Flöten und Harfen wiegten.
Der König trat nur kurz in Erscheinung und überließ
seinem älteren Sohn den Ruhm des siegreich verlaufenen Waffengangs. Als
ehemalige Schüler des Kap befanden sich auch Moses, Ameni und sogar Setaou, dem
Ramses für diesen Anlaß ein prächtiges Gewand geschenkt hatte, unter den
Gästen.
Ameni unterhielt sich mit den Würdenträgern von
Memphis und fragte ganz beiläufig nach den seit kurzem geschlossenen
Tintenstein-Werkstätten. Doch seine Hartnäckigkeit wurde auch diesmal nicht
belohnt.
Plötzlich rief Chenars Kämmerer dringend nach Setaou.
In einer der Kammern, wo die Milchkrüge bereitstanden, war eine Schlange
gesichtet worden. Der junge Mann machte das verdächtige Loch ausfindig, steckte
Knoblauch hinein und verstopfte es mit einem gepökelten Fisch. Der Kämmerer
atmete auf, das unselige Reptil würde nicht mehr aus seinem Versteck
hervorkommen. Doch die Freude des Hausverwesers, der in Setaous Augen ein viel
zu eitler Geck war, währte nicht lange. Als der Schlangenkundige ein rotweiß
geringeltes Tier hervorzog, dessen Fangzähne hinten im Kieferknochen saßen,
ergriff er die Flucht. »So ein Esel«, dachte Setaou bei sich, »dabei sieht doch
jeder, daß diese Art völlig harmlos ist.«
Moses war von hübschen Frauen umringt, denen sein
stattliches Auftreten und seine Männlichkeit gefielen. Die meisten von ihnen
hätten sich nur allzugern Ramses genähert, doch Iset, die Schöne, war auf der
Hut. Das Ansehen der beiden jungen Männer wurde immer schmeichelhafter. Moses
war gewiß für hohe Verwaltungsaufgaben bestimmt, während Ramses’ Mut so
beeindruckend war, daß er die Aufgabe, die man ihm bei Hofe vorenthielt, gewiß
im Heer zugewiesen bekäme.
Es gelang den beiden Freunden, sich zwischen zwei
Tänzen davonzustehlen und sich im Garten unter einer Persea zu treffen.
»Hast du Chenars Rede gehört?«
»Nein, meine süße Verlobte hatte andere Pläne.«
»Dein Bruder erklärt jedem, der es hören will, er sei
der große Sieger dieses Feldzuges. Ihm sei es zu verdanken, daß die Verluste
auf selten der Ägypter verschwindend gering ausgefallen seien und Diplomatie
über Gewalt gesiegt habe. Außerdem verbreitet er das Gerücht, Sethos wirke sehr
müde, die Macht höhle ihn aus, und es sei bald mit seiner eigenen Ernennung zum
König zu rechnen. Er entwirft bereits Pläne für den Ausbau weltweiter
Handelsbeziehungen und für wirtschaftliche Bündnisse mit unseren schlimmsten
Feinden.«
»Er ekelt mich
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