RAMSES 1 - Der Sohn des Lichts
an.«
»Eine Zierde ist er nicht gerade, das gebe ich zu,
doch seine Pläne verdienen Beachtung.«
»Moses, streck den Hethitern die Hand hin, und sie
werden dir denArm abhacken!«
»Krieg ist aber doch auch keine Lösung.«
»Chenar wird aus Ägypten ein unterjochtes und
zerstörtes Land machen. Das Land der Pharaonen ist eine eigene Welt. Als es
schwach oder arglos war, wurde es von Osten her überrannt. Es bedurfte großen
Heldenmuts, um den Besatzer zu verjagen und ihn weit hinter die Grenzen
zurückzuwerfen. Wenn wir die Waffen strecken, werden wir bald ausgerottet
sein.«
Ramses’ Wildheit überraschte Moses.
»Das sind Worte eines klugen Herrschers, aber ist es
der richtige Weg?«
»Es gibt keinen anderen Weg, um unser Reich zu
schützen, damit es den Göttern als Wohnsitz auf Erden dient.«
»Die Götter? Gibt es die denn überhaupt?«
»Was willst du damit sagen?«
Moses blieb keine Zeit, zu antworten. Eine Schar
junger Mädchen schob sich zwischen ihn und Ramses und stellte tausenderlei
Fragen zu beider Zukunft. Iset, die Schöne, war bald zur Stelle, um ihren
Geliebten zu befreien.
»Dein Bruder hat mich aufgehalten«, bekannte sie.
»Unter welchem Vorwand?«
»Er will noch immer, daß ich seine Frau werde. Der Hof
ist einmütig, und die Gerüchte gehen in die gleiche Richtung: Sethos wird schon
bald Chenar neben sich auf den Thron berufen. Und er will mich zur großen
königlichen Gemahlin machen.«
Da geschah etwas Merkwürdiges: Ramses’ Gedanken
verließen urplötzlich Memphis und flogen zum Harim Mer-Our, um dort ein
eifriges junges Mädchen zu betrachten, das im Schein einer Öllampe die
Lehrsätze des Ptah-hotep abschrieb.
Iset bemerkte die Verwirrung ihres Geliebten.
»Bist du krank?«
»Wisse, daß ich nicht weiß, was Krankheit ist«,
erwiderte er barsch.
»Du wirktest so abwesend…«
»Ich war in Gedanken. Wirst du annehmen?«
»Ich habe bereits geantwortet.«
»Meinen Glückwunsch, Iset, so wirst du meine Königin
und ich dein Diener sein.«
Sie trommelte ihm mit der Faust gegen die Brust, er
packte ihre Handgelenke.
»Ich liebe dich, Ramses, und ich möchte mit dir leben.
Wie kann ich dir das nur begreiflich machen?«
»Bevor ich Gatte und Vater werde, muß ich mir erst
klarwerden über den Weg, den ich einschlagen will, gib mir noch Zeit.«
In der von Wohlgerüchen durchdrungenen Nacht wurde es
still. Musikantinnen und Tänzerinnen hatten sich zurückgezogen, desgleichen die
betagten Höflinge. Hier und da, im weitläufigen Palastgarten, wurden
Mitteilungen ausgetauscht und schamlose Ränke geschmiedet, um Rivalen
auszuschalten.
Da hallte von den Küchen her ein gellender Schrei und
zerriß die Besinnlichkeit des Augenblicks.
Ramses war als erster zur Stelle. Mit einem Schürhaken
schlug der Hausverweser auf einen alten Mann ein, der sich schützend die Hände
vors Gesicht hielt. Der Prinz packte zu wie ein Schraubstock. Der Kämmerer ließ
die Waffe fallen, sein Opfer floh und fand Unterschlupf bei den Geschirrwäschern.
Moses mahnte:
»Du wirst ihn umbringen!«
Ramses lockerte seinen Griff, und der Hausverweser,
dessen Gesicht rot angelaufen war, schöpfte mühsam Atem.
»Dieser Alte war doch nur ein gefangener Hethiter«,
erklärte er , »den muß ich doch
erziehen.«
»Ist das deine Art, Untergebene zu behandeln?«
»Nur die Hethiter!«
Chenar, der in seinem Festputz ungeheuren Reichtum zur
Schau stellte und die elegantesten Höflinge ausstach, schob die Schaulustigen
beiseite.
»Macht Platz, das übernehme ich.«
Ramses packte den Hausverweser bei den Haaren und
schleuderte ihn zu Boden.
»Ich klage diesen Feigling der Quälerei an.«
»Ruhig Blut, lieber Bruder! Nicht so heftig, mein
Hausverweser ist manchmal ein wenig streng, aber…«
»Ich reiche Klage ein und werde vor Gericht aussagen.«
»Du, der die Hethiter verabscheut?«
»Der alte Mann ist kein Feind mehr, er arbeitet bei
uns und verdient Achtung. So will es das Gesetz der Maat.«
»Keine großen Worte! Vergiß diesen Zwischenfall, ich
werde es dir danken.«
»Ich werde auch aussagen«, erklärte Moses, »denn
nichts vermag ein solches Handeln zu rechtfertigen.«
»Ist es nötig, die Stimmung zu vergiften?«
»Nimm diesen Kämmerer mit«, sagte Ramses zu Moses,
»und übergib ihn unserem Freund Setaou. Gleich morgen werde ich darum ersuchen,
daß ihm der Prozeß gemacht wird.«
»Das ist Freiheitsberaubung!«
»Verpflichtest du dich, deinen Hausverweser dem
Gericht
Weitere Kostenlose Bücher