Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel
in die Arme. Seine Gemahlin, kaum geschminkt und duftend wie eine Göttin, war schöner denn je.
«Chenar ist tot», verkündete der König, «und der Aufruhr der Nubier ist zu Ende.»
«Wird in Nubien jetzt endlich Frieden herrschen?»
«Die Anführer der Aufständischen sind wegen Hochverrats hingerichtet worden. Die Dörfer, mit denen sie rücksichtslos und grausam verfahren waren, haben Freudenfeste veranstaltet, um ihren Tod zu feiern. Das gestohlene Gold wurde mir zurückgegeben, und ich habe einen Teil davon in Abu Simbel gelassen, den anderen in Karnak.»
«Gehen die Arbeiten in Abu Simbel voran?»
«Setaou leitet die Baustätte mit bemerkenswerter Kraft.»
Die Königin verhehlte ihm die wichtigste Nachricht nicht mehr länger.
«Serramanna verfolgt Moses mit einem Troß von Streitwagen.»
«Aus welchem Grund?»
«Zwei Beduinen, die Spione im Dienste der Hethiter sind, befinden sich unter den Hebräern. Serramanna will diese beiden Männer und Moses festnehmen. Ameni hatte gegen diese Expedition nichts einzuwenden, weil sie dem Gesetz entspricht.»
Ramses stellte sich Moses an der Spitze seines Volkes vor, wie er mit seinem Stock auf den Boden klopfte, den Weg bahnte, die Unschlüssigen zum Weitergehen mahnte und Jahwe anflehte, er möge sich des Nachts als Feuersäule und am Tag als Wolke offenbaren. Kein Hindernis würde ihn zum Umkehren bewegen, kein Feind ängstigen.
«Ich habe soeben wieder ein langes Sendschreiben von Puducheba erhalten», erzählte Nefertari weiter. «Sie glaubt fest daran, daß wir zu einer Übereinkunft kommen.»
«Welch wunderbare Neuigkeit!»
Ramses hatte die Worte geistesabwesend ausgesprochen, seine Gedanken waren anderswo.
«Du hast Angst, daß Moses getötet wird, nicht wahr?»
«Ich möchte ihn nie mehr wiedersehen.»
«Was den Friedensvertrag betrifft, da gibt es noch einen heiklen Punkt.»
«Immer noch Uriteschup?»
«Nein, eine Frage der Formulierung… Hattuschili wehrt sich dagegen, daß die Hethiter allein für die kriegerischen Auseinandersetzungen der Vergangenheit verantwortlich gewesen sein sollen, und er beklagt sich darüber, daß er als Unterlegener angesehen wird, der sich dem Willen des Pharaos zu beugen habe.»
«Ist das nicht so?»
«Der Wortlaut des Vertrages wird öffentlich kundgetan, künftige Generationen werden ihn lesen: Hattuschili möchte das Gesicht nicht verlieren.»
«Der Hethiter soll sich fügen, oder er wird vernichtet!»
«Sollen wir wegen einiger zu harter Worten auf den Frieden verzichten?»
«Auch das kleinste Wort zählt.»
«Darf ich dennoch dem Herrn der Beiden Länder eine Änderung des Wortlautes vorschlagen?»
«Im Sinne der Forderungen von Hattuschili, wie ich vermute.»
«Im Sinne der Zukunft der beiden Völker, die sich fortan Krieg, Gemetzel und Unheil ersparen wollen.»
Ramses küßte Nefertari auf die Stirn.
«Habe ich denn noch eine Möglichkeit, dem
unterhändlerischen Eifer der Großen Königsgemahlin zu entrinnen?»
«Nicht die geringste», antwortete sie, während sie ihren Kopf an Ramses’ Schulter schmiegte.
Moses war sehr erzürnt, und Aaron mußte einigen aufsässigen Hebräern mit seinem Stock auf den Rücken schlagen, weil sie des Auszugs bereits überdrüssig waren und nach Pi-Ramses zurückkehren wollten, wo sie reichlich zu essen gehabt und in behaglichen Häusern gewohnt hatten. Die meisten verabscheuten die Wüste und konnten sich nicht daran gewöhnen, unter freiem Himmel oder in Zelten zu schlafen.
Viele begannen, gegen das rauhe Leben aufzubegehren, zu dem der Prophet sie zwang.
Also erhob Moses seine laute Stimme und befahl den Wankelmütigen und Furchtsamen, Jahwe zu gehorchen und ihren Weg ins Gelobte Land fortzusetzen, welche Fallgruben und Prüfungen ihnen auch bevorstehen mochten. Dann ging der lange Marsch weiter, in eine feuchte, morastige Region.
Zuweilen sanken die Hebräer im Schlamm ein, Karren stürzten um, und Blutegel setzten Menschen und Tieren zu.
Moses beschloß, nicht weit von der Grenze entfernt, nahe dem See Sarbonis und dem Mittelländischen Meer, eine Rast einzulegen. Die Gegend wurde als gefährlich angesehen, weil der Wind aus der Wüste große Mengen Sandes in die Sümpfe, in das «Schilfmeer», wehte, so daß der Boden trügerisch war.
Niemand lebte in diesen trostlosen, den Winden und dem Zorn des Meeres und des Himmels überlassenen Gefilden.
Selbst die Fischer mieden sie aus Angst, Opfer des schwimmenden Sandes zu werden.
Eine Frau mit
Weitere Kostenlose Bücher