Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel
prachtvollen Mähne, schritt zur Rechten des Elefanten der Goldmine entgegen. Bogenschützen und Fußsoldaten waren davon überzeugt, der Pharao würde in einem gewaltigen Ansturm die feindlichen Reihen durchbrechen, aber Ramses ließ das Zeltlager noch weit vor seinem Ziel errichten. Die Köche machten sich sogleich an die Arbeit, Waffen wurden gesäubert, Klingen geschärft, und man fütterte die Esel und die Ochsen.
Ein «Sohn des Königs» von etwa zwanzig Jahren wagte, dagegen aufzubegehren.
«Worauf warten wir, Majestät? Ein paar aufrührerische Nubier sind doch nicht imstande, sich unserer Stärke zu widersetzen.»
«Du kennst dieses Land und seine Bewohner zuwenig. Die Nubier sind gefährliche Bogenschützen, und sie kämpfen mit unvergleichlicher Verbissenheit. Wenn wir uns bereits als Sieger wähnen, werden viele unserer Männer sterben.»
«Ist das nicht das Gesetz des Krieges?»
«Mein Gesetz besteht darin, so viele Menschenleben wie möglich zu erhalten.»
«Aber… die Nubier werden sich nicht ergeben.»
«Solange sie bedroht sind, gewiß nicht.»
«Wir werden doch mit diesen Wilden nicht verhandeln, Majestät.»
«Man muß sie blenden. Die Wirkung, die wir ausstrahlen, wird uns zum Sieg verhelfen, nicht der bewaffnete Arm. Die Nubier pflegen ihren Gegnern aufzulauern, die Nachhut anzugreifen und dem Feind in den Rücken zu fallen. Dazu werden wir ihnen keine Gelegenheit geben, denn wir werden sie in größtes Erstaunen versetzen.»
Ja, Chenar kannte Ramses gut. Der König würde geradewegs vorrücken, auf der einzigen Wüstenstraße, die zur Goldmine führte. Die von der Sonne ausgeglühten Hügel und Felsen zu beiden Seiten des Geländes würden den nubischen Kriegern Schutz bieten. Hatten sie erst die Offiziere getötet, dann ergriff die ägyptische Armee die Flucht, und Chenar konnte mit eigenen Händen einen verzweifelt um Gnade flehenden Ramses ins Jenseits befördern.
Kein ägyptischer Soldat würde dieser Falle lebend entrinnen.
Danach wollte Chenar Ramses’ Leichnam am Bug seines Schiffes befestigen und triumphalen Einzug in Elephantine halten, ehe er sich der Städte Theben, Memphis, Pi-Ramses und ganz Ägyptens bemächtigte. Das Volk würde ihm zu Füßen liegen, er könnte endlich herrschen und sich an all jenen rächen, die seinen wahren Wert nicht erkannt hatten.
Der Bruder des Königs trat aus seiner steinernen Hütte heraus, die einst der Aufseher über die Goldwäscher bewohnt hatte, und stieg zum höchsten Punkt der Anlage hinauf, in der das goldhaltige Erz ausgeschwemmt wurde. Nur das Wasser, das in sanftem Gefälle eine Rampe hinunterfloß, die in ein Klärbecken mündete, vermochte das edle Metall von dem ihm anhaftenden Erdreich zu befreien. Es war eine mühsame Arbeit, die viel Geduld erforderte. Chenar verglich sie mit seinem Leben. Wie viele endlos lange Jahre hatte er gebraucht, um Ramses’ Magie zu überwinden, ehe er ihn nun besiegen und seine eigene Größe unter Beweis stellen konnte. In der Stunde des Triumphes fühlte er sich wie trunken.
Ein Späher fuchtelte wild mit den Armen, Schreie zerrissen die Stille. Mit ihren Federn im krausen Haar liefen die schwarzen Krieger kreuz und quer durcheinander.
«Was ist denn hier los? Hört auf so herumzurennen!»
Chenar stieg hinunter und hielt einen Häuptling fest, der aufgeregt im Kreis lief.
«Beruhige dich, das ist ein Befehl! Ich führe hier das Kommando.»
Der Krieger wies mit seinem Speer auf die umliegenden Hügel und Felsen.
«Überall… sie sind überall!»
Chenar ging in die Mitte des großen freien Platzes, hob die Augen und sah sie.
Tausende ägyptischer Soldaten hatten die Goldmine umzingelt.
Auf der Kuppe des höchsten Hügels errichteten etwa zehn Männer einen Baldachin, unter den sie einen Thron stellten.
Die blaue Krone auf dem Haupt, nahm Ramses auf ihm Platz.
Sein Löwe legte sich zu seinen Füßen.
Nicht ein Nubier konnte den Blick von diesem mittlerweile zweiundvierzig Jahre alten Herrscher losreißen, der nun, in seinem zwanzigsten Regierungsjahr, den Gipfel der Macht erreicht hatte. Trotz ihres Mutes begriffen die schwarzen Krieger, daß ihn anzugreifen einem Selbstmord gleichkäme.
Die Falle, die Chenar dem König gestellt zu haben vermeinte, schnappte über ihm selbst zu. Die Soldaten des Pharaos hatten die Wachen überwältigt und ließen den Eingeschlossenen keinerlei Möglichkeit zur Flucht.
«Wir werden siegen!» brüllte Chenar. «Alle mir nach!»
Die nubischen
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