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Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel

Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel

Titel: Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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Tempels war menschenleer, als sei die heilige Stadt verlassen worden. Vor dem Pylonen türmten sich behauene Sandsteinblöcke zwischen Kisten voller Werkzeug. Unter den Tamarisken, die dem Vorhof Schatten spendeten, standen große hölzerne Schlitten, noch mit Granitblöcken aus den Steinbrüchen von Assuan beladen.
    Höchst verwundert begab Ramses sich mit seinem Gefolge zum Palast, der neben dem Tempel lag. Auf den zum Hauptportal hinaufführenden Stufen saß ein alter Mann und verteilte ein Stück Ziegenkäse auf einige Scheiben Brot. Als er den Troß herannahen sah, verging ihm der Appetit. In Angst und Schrecken versetzt, ließ er seine Mahlzeit im Stich und versuchte zu fliehen, wurde jedoch von einem der Soldaten eingeholt und vor den Herrscher geführt.
    «Wer bist du?»
    Die Stimme des Mannes zitterte.
    «Ich bin einer der Wäscher aus dem Palast.»
    «Und weshalb bist du nicht bei deiner Arbeit?»
    «Es gibt nichts zu tun, weil alle fort sind. Nun, fast alle…
    Einige Priester sind noch da, am heiligen See, aber die sind auch schon so alt wie ich.»
    Der Tempel war noch immer nicht vollendet, obgleich der König das zu Beginn seiner Herrschaft nachdrücklich gefordert hatte. Mit einigen Soldaten schritt er durch das große Tor und sah sich in den Räumen der Verwaltung um. Auch in den Schreibstuben, den Werkstätten, im Schlachthaus wie in den Backhäusern traf er niemanden an. Darauf suchte er eilends die Unterkünfte für die Priester auf, die ständig im Tempel wohnen sollten.
    Auf einer steinernen Bank saß ein Greis mit kahlgeschorenem Kopf, die Hände auf den Knauf seines Stocks aus Akazienholz gestützt. Als er den König kommen sah, versuchte er, sich zu erheben.
    «Erspare dir diese Mühe, Diener des Gottes.»
    «Du mußt der Pharao sein… Man hat mir soviel vom Sohn des Lichts erzählt, dessen Macht erstrahlt wie die Sonne.
    Meine Augen sind zwar schon schwach, aber ich irre mich gewiß nicht… Wie glücklich bin ich, dich noch zu schauen, ehe ich sterbe. Die Götter lassen mir in meinem Alter von zweiundneunzig Jahren noch eine große Freude zuteil werden.»
    «Was geht hier vor?»
    «Sie sind alle zu anderen Arbeiten herangezogen worden.»
    «Zu anderen Arbeiten herangezogen… Wer hat sich dazu erdreistet?»
    «Der Vorsteher der nächsten Stadt. Er hat befunden, es gebe zu viele Priester und Bedienstete im Tempel und es sei nützlicher, Dämme auszubessern, als Rituale abzuhalten.»
    Der Vorsteher war ein Mann mit Pausbacken und wulstigen Lippen, der es sich gern wohl sein ließ. Da ihm seine übergroße Leibesfülle das Gehen beschwerlich machte, ließ er sich für gewöhnlich in einer Sänfte tragen. Doch nun brachte ihn ein Offizier mit einem Streitwagen in voller Fahrt in den Palast von Abydos. Nur mit großer Mühe gelang es ihm, sich vor dem König zu verneigen, der auf einem Thron aus vergoldetem Holz mit Füßen in der Form von Löwenpranken saß.

    «Vergib mir, Majestät, aber niemand hat mich wissen lassen, daß du kommen würdest! Hätte ich davon Kenntnis gehabt, hätte ich dir einen würdigen Empfang bereitet, und ich hätte…»
    «Bist du dafür verantwortlich, daß Priester und Bedienstete des Tempels von Abydos zu anderen Arbeiten herangezogen wurden?»
    «Ja, aber…»
    «Hast du vergessen, daß das ausdrücklich untersagt ist?»
    «Nein, Majestät, aber ich habe mir gedacht, daß all diese Leute untätig seien und daß es besser sei, sie mit nützlichen Arbeiten zu beschäftigen.»
    «Du hast sie von den Pflichten abgehalten, die mein Vater ihnen zugewiesen hat und die auch ich ihnen auferlegt habe.»
    «Dennoch habe ich gedacht…»
    «Du hast einen sehr schweren Fehler begangen, für den ein königlicher Erlaß hundert Stockhiebe und das Abschneiden der Nase und der Ohren als Sühne vorsieht.»
    Bleich geworden, begann der Vorsteher der Stadt zu stammeln.
    «Das kann nicht sein, Majestät, das ist unmenschlich!»
    «Du warst dir deines Vergehens bewußt, und du wußtest auch, wie es geahndet wird. Deshalb bedarf es hierzu nicht einmal eines Richterspruchs.»
    In der Gewißheit, daß das Gericht die gleiche Strafe über ihn verhängen, sie vielleicht sogar noch erhöhen würde, verlegte sich der Mann aufs Jammern.
    «Ich habe unrecht gehandelt, Majestät, das stimmt, doch ich tat es nicht zu meinem eigenen Vorteil. Dank der Leute von Abydos wurden die Dämme schnell ausgebessert und die Kanäle tiefer gegraben.»

    «In diesem Fall stelle ich es dir frei, dich für eine

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