Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel
Angreifer zurück und sprach dabei die Verwünschungen, mit denen er diese Wesen der Finsternis von der Barke des Osiris fernhielt.
Die in die Mysterien Eingeweihten leisteten dem Öffner des Weges Beistand und verscheuchten jene, die sich gegen das Licht erhoben.
Der Zug setzte seinen Weg zur Insel des ersten Morgens fort, wo Ramses als der von seinem Bruder Seth ermordete Gott Osiris auf einem mit Löwenhäuptern verzierten Lager ruhte.
Die Wasser des Nils umschlossen diesen Urhügel, den die göttlichen Schwestern Isis und Nephthys über eine kleine Brücke erreichten.
Die Insel befand sich inmitten eines riesigen Bauwerks. Zehn Säulen trugen eine Decke, die den Baumeistern aus der Zeit der Pyramiden Ehre gemacht hätte. Die Kultstätte des Osiris mündete in einen Raum, der quer zur Säulenhalle verlief und vierzig auf zwölf Ellen maß. Dort stand der Sarkophag des Gottes.
Nefertari verkörperte die Göttin Isis, die Gemahlin des Osiris, und Iset die Schöne spielte die Rolle der Nephthys, deren Name
«die Beherrscherin des Tempels» bedeutete. Als Schwester der Isis stand sie ihr bei den Riten zur Seite, mit denen Osiris aus dem Totenreich zurückgeholt wurde.
Die Königin hatte Ramses’ Vorschlag angenommen, denn auch ihr war Isets Anwesenheit bei der Zeremonie wünschenswert erschienen.
Die beiden Frauen knieten nieder, Nefertari am Kopfende des Lagers und Iset an dessen Fußende. Eine Kanne mit frischem Wasser in der rechten Hand und ein rundes Brot in der linken, sprachen sie die langen und ergreifenden
Beschwörungsformeln, deren es bedurfte, um neue Kraft in die Adern des leblosen Körpers strömen zu lassen.
Ihre Stimmen verschmolzen zu einer Melodie, und der riesige, mit Sternen übersäte Leib der Göttin des Himmels wölbte sich schützend über ihnen und dem, der seiner Wiedergeburt harrte.
Am Ende einer langen Nacht erwachte Osiris Ramses. Und er sprach die Worte, die schon seine Vorgänger gesprochen hatten: «Möge mir das Licht des Himmels beschieden sein wie die schöpferische Kraft auf Erden, die Stimme der Gerechtigkeit im Reich des Jenseits und die Fähigkeit, den Sternen voranzugehen. Möge es mir gelingen, das Tau am Bug der Barke der Nacht und das Tau am Heck der Barke des Tages zu ergreifen!»
ZWEIUNDDREISSIG
URITESCHUP WAR WÜTEND. Der bei einem anderen Seher im Tempel des Wettergottes eingeholte Rat hatte zum gleichen Ergebnis geführt: düstere Vorhersagen und das Verbot eines baldigen Angriffs. Die meisten Soldaten waren so abergläubisch, daß Uriteschup sich nicht darüber hinwegsetzen konnte. Und kein Seher vermochte ihm den Tag zu nennen, an dem die Prophezeiung günstiger ausfallen würde.
Obwohl die Ärzte am Hof nicht imstande waren, Muwatallis Gesundheit zum Besseren zu wenden, entschloß er sich auch nicht, zu sterben. Um die Wahrheit zu sagen, Uriteschup freute sich über diesen langen Todeskampf, denn nun würde ihn niemand eines Mordanschlags beschuldigen. Die Heilkundigen hatten den Herzanfall bestätigt und lobten die Ergebenheit des Sohnes, der dem Kranken jeden Tag einen Besuch abstattete.
Uriteschup tadelte Hattuschili ob seiner Abwesenheit, als bekümmerte ihn die Gesundheit seines Bruders nicht.
Als er der edlen und stolzen Puducheba begegnete, enthielt er sich nicht einer spöttischen Bemerkung.
«Versteckt sich dein Gemahl etwa?»
«Hattuschili befindet sich im Auftrag des Königs auf einer Reise.»
«Davon hat mir mein Vater nichts erzählt.»
«Den Ärzten zufolge kann Muwatalli nicht mehr sprechen.»
«Du scheinst gut unterrichtet zu sein.»
«Obwohl du niemandem Zutritt zum Gemach des Königs gewährst und den Hochmut besitzt, dieses Recht dir allein vorzubehalten.»
«Muwatalli bedarf der Ruhe.»
«Wir alle wünschen, daß er bald imstande sein wird, seine Aufgaben wieder in vollem Umfang zu erfüllen.»
« Gewiß, aber nimm einmal an, dieses Unvermögen währt noch lange… Dann wird eine Entscheidung unumgänglich.»
«Ohne Hattuschilis Anwesenheit ist das nicht möglich.»
«Dann sorge dafür, daß er in den Palast zurückkehrt.»
«Ist das ein Befehl oder ein Rat?»
«Deute das, wie es dir beliebt, Puducheba.»
Mit nur sehr kleinem Geleitschutz hatte Puducheba nachts die Hauptstadt verlassen und sich wiederholte Male vergewissert, daß ihr niemand folgte.
Beim Anblick der düsteren Festung, in die Hattuschili geflohen war, schauderte sie. Und wenn die Truppen ihren Gemahl gefangengenommen hatten, um sich bei Uriteschup
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