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Rangun

Rangun

Titel: Rangun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Monson
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hyazinthenbedeckten See mit einer Insel darin. Eines nachmittags ging sie mit einem Armvoll Hinduliteratur dorthin.
    Aus reiner Neugier über Rams Hindu-Namensvetter blätterte sie im Ramayana. Ein Teil des Epos befaßte sich mit dem Exil des heldenhaften Prinzen Rama und seinen Bemühungen, sein Königreich und seine geliebte Gemahlin Sita vom Dämonenkönig Ravana zurückzugewinnen. Rama schien seiner Frau getreuer zu sein, als Ram es je sein würde, dachte sie trocken, als sie das Buch beiseite legte.
    Das Abisarika Nayaka war ein Gedicht über die Affäre einer verheirateten Frau. Das Verlangen der Heldin war so heftig, daß sie sich buchstäblich die Kleider vom Leibe riß und über Schlangen schritt, um zu ihrem Geliebten zu gelangen. Ihre Vereinigung war so wild wie der Schrei der Pfauen und die vorangegangenen Stürme. Melodramatisch, urteilte Lysistrata. Das Nayaka gesellte sich zu dem Ramayana.
    Das Kama Sutra war ein zuweilen klinisches, zuweilen lächerliches Handbuch zum Liebemachen. Perfekt geeignet für skrupellose Wüstlinge, dachte sie, obwohl viele Positionen faszinierend, wenngleich auch verblüffend waren. Sie hatte den Liebesakt immer für eine eher direkte, wenngleich oft heimliche Prozedur gehalten. Die Zeichnungen zeigten geschickt den Schwung und die Elastizität des Fleisches, die Mattigkeit und Intensität der Liebenden. Sie begann sich sehr unruhig zu fühlen.
    Die Sonne auf dem Wasser blendete ihre Augen. Vielleicht sollte sie heute ein Nachmittagsschläfchen machen, andernfalls würde sie den Rest des Tages Kopfschmerzen haben.
    Das Zenana war verlassen. Seine Bewohnerinnen dösten am frühen Nachmittag in ihren Quartieren - das dachte Lysistrata zumindest, bis sie ihren Raum betrat und vom angrenzenden Balkon leise Stimmen und Gelächter hörte. Die
    Stimme eines Mannes war darunter. Neugierig spähte Lysistrata verstohlen durch die Trennwand. Ram und die Chinesin Kim lagen nackt auf einer gepolsterten Matte, ihre Körper miteinander verschlungen. Sie unterhielten sich auf chinesisch, und Ram lachte, als Kim ihm etwas ins Ohr flüsterte. Er streckte sich und schüttelte den Kopf. Mit unverschämt zwinkernden Augen glitt Kim an seinem Körper herab, bis ihr langes Haar seine Lenden bedeckte. Ihr Kopf senkte sich und schwebte darüber, bis Lysistrata plötzlich erkannte, was Kim tat. Sie preßte die Finger fest gegen den Paravent, sah, daß Ram seine Augen schloß und daß seine harten Bauchmuskeln sich vor Lust zitternd spannten. Seine Hände glitten leicht über Kims Haar, umfaßten dann ihren Kopf. Sein schlanker Leib spannte sich rhythmisch wie in stummer Qual, entspannte sich und reagierte noch intensiver. Lysistrata bemerkte nicht, daß er ihr seinen Kopf zugewandt hatte. Seine halb geschlossenen Augen waren auf die Trennwand gerichtet. Sie erstarrte. Seine Lippen öffneten sich zu einem Stöhnen, als seine Hände die Schultern der Konkubine umfaßten. Als er seine Augen wieder öffnete, war Lysistrata vom Balkon verschwunden. Erschüttert und vor Scham brennend, floh sie das Zenana.
    Ram fand Lysistrata in der Bibliothek lesend. Obwohl sie seinen Gruß kurz erwiderte, konnte sie es kaum ertragen, ihn anzublicken. Er war völlig bekleidet, aber sie mußte ständig an seine Männlichkeit unter seiner engen Hose denken. Stellte sich seinen Lingham umhüllt vom warmen Mund einer Frau vor.
    »Wie geht's mit dem Nayaka voran?« fragte er ruhig. Sie zuckte zusammen. Er wußte es.
    »Ich komme nicht dazu«, brachte sie heraus. »George Sands Indiana ist viel interessanter. Findest du nicht?«
    Er lächelte seltsam. »Wie findest du Sands Einstellung zur Liebe?«
    »Oh... er scheint... zuweilen... unvoreingenommen zu sein.«
    »Unvoreingenommen.« Das Lächeln wurde noch seltsamer. »Ja, das beschreibt Sand ganz gut.«
    Da die Gefahr vorüber schien, beschloß Lysistrata, das Thema zu wechseln. Sie erhob sich und trat auf die Terrasse. »Hast du etwas dagegen, wenn ich aus dem Zenana ausziehe?«
    Er neigte den Kopf. »Wohin möchtest du ziehen?«
    »In den Phoenix-Bungalow. Ich bin nicht daran gewöhnt, mit jemand anderem als meinem Vater zusammenzuleben. Ich bin lieber allein.«
    »Natürlich. Kalisha wird alles vorbereiten lassen.«
    Sie war überrascht, wie leicht es war. Fast zu leicht. Er wollte sie sicher aus dem Weg haben, damit er das Zenana besuchen konnte, ohne einer naiven, trotzigen Nörglerin zu begegnen. Vielleicht wollte er ihr auch nicht mehr nachstellen. Warum auch, da

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