Rangun
Autorität an. Er gab zu, die Rücksichtslosigkeit seiner Eltern geerbt zu haben, aber wie sehr?
KAPITEL 11
Die Wahnsinnige
Doch in den Winkeln ihres Hauses lauerten undeutliche Schatten...
weißäugige Phantome, die blutige Tränen weinten,
und schreckliche Nachtmare,
und hohle Schatten umhüllten Herzen voller Glut
ALFRED, LORD TENNYSON
»Pandit Singh, wo war Prinz Ram an dem Tag, als die Sepoy getötet wurden?« Fas t sicher, daß er den Bungalow nachts beobachtete, hatte sich Lysistrata dem alten Gärtner nicht nähern wollen, fühlte sich sicherer, wenn er selbstsicher grinste.
»Warum fragen Sie ihn nicht? Oder haben Sie keine Zeit für Kissengespräche?«
»Soviel Zeit, wie du für deine nächtlichen Gänge in meinem Garten«, erwiderte sie kühl. »Vielleicht sollte ich die beim Kissengespräch erwähnen. Seine Hoheit wird dein Interesse an meinen nächtlichen Gewohnheiten sicher reichlich belohnen.«
Der alte Mann wurde weiß. »Sie irren sich! Das ist eine Lüge...« Den Kopf einziehend beschäftigte er sich mit seinen Pflanzen.
Sie hätte vielleicht nachgegeben, wenn in seinen Augen nicht deutlich Schuld gestanden hätte. »Ich bin nicht in der Stimmung, über Semantik Haarspalterei zu betreiben. Wo war er?«
»Auf dem Wall«, antwortete der Alte rauh, »neben seiner Hexenmutter.« Seine verschlagenen, feuchten Augen verengten sich zu einem Grinsen. »Er genoß die Schreie der Sepoy. Hören Sie? Er schaute zu, wie sie in Stücke gerissen wurden! Und einige waren seine Freunde, obwohl er Schmutz unter ihren Schuhen gewesen war!«
»Ich glaube dir nicht!« rief sie. »Du bist ein gemeiner, verlogener, alter Teufel!«
»Sehen Sie hier jetzt andere Inder außer diesem teuflischen alten Weib Kalisha und mir?« entgegnete er. »Er hätte von Rangun weitere herbringen können. Wir sind viel tüchtiger als die faulen birmanischen Schweine! Er haßt uns ebensosehr, wie seine Mutter es tat!«
Sie konterte: »Warum nicht? War er während der Rebellion nicht in Indien? Habt ihr nicht außer Weißen Mischlinge erschlagen?«
Er grunzte. »Die Rani brachte ihn nach Hindukusch. Hätte sie das nicht getan, wäre seine ungläubige Haut an ihrem Stadttor ausgepeischt worden.«
»Dann bist du nicht weniger scheußlich als Ram!«
»Und mildert das seine Schuld?« Sein Lachen folgte ihr, als sie abrupt kehrtmachte und floh.
Doch die Freude des alten Mannes war kurz. Zwei Tage später fand ihn Lysistrata tot im Steingarten nahe dem Bungalow. Sie konnte nur vermuten, daß er während seines nächtlichen Herumschnüffelns überrascht worden war, da er mehrere Stiche im Rücken hatte. Er lag auf der Seite. Als sie ihn umdrehte, übergab sie sich fast. Gesicht und Leistengegend waren wie von einem Wahnsinnigen verstümmelt.
Ihr Verstand verzagte. Ram? Er würde heute morgen von einem Routinebesuch der Plantagen zurückkommen. War er schon nachts gekommen und zufällig auf den Gärtner gestoßen? Sie erinnerte sich an das furchtsame Gesicht des Alten, als Ram ihn gewarnt hatte, sich nicht ohne seine Erlaubnis dem Bungalow zu nähern. Trotz seines kühlen Äußeren war Ram eifersüchtig. Hatte er Pandit Singh beim Spionieren überrascht, konnte seine erste Reaktion schrecklich sein. Der alte Mann konnte sich nicht verteidigt haben. Allein eine der Wunden an seinem Rücken wäre sofort tödlich gewesen, und unter seinem Sash steckte noch immer sein Messer. Sie konnte sich vorstellen, daß Ram den Mann getötet hatte, ihn aber nicht so verstümmelt hätte. Und sollte einer der Söldner Pandit Singh überrascht haben, hätte er ihn entweder zu Ram gebracht oder ihm die Kehle durchgeschnitten. Die Wunden an den Geschlechtsteilen und der Versuch, sein Gesicht oder seine Augen zu zerstören - eines war herausgerissen worden deuteten auf jemand, der den alten Mann für seinen Voyeurismus bestrafen wollte. Nur Ram konnte daran liegen.
Sie ging langsam zu seinem Bungalow. Sie fand ihn im Garten meditierend. Obwohl er ihre Anwesenheit bemerkte, sprach er nicht. Sie musterte sein Profil. Das gespaltene Kinn mochte er von seinem räuberischen Vater haben, doch die Raubtiernase stammte von den Rajput-Despoten. Ein solcher Mann mußte einen anderen nicht in den Rücken stechen, zumal keinem alten. Aber den Bandit Bo Chaik hatte er auch nicht gewarnt, bevor er ihn gnadenlos tötete. Eine sich sonnende Kobra wirkte ungefährlich, solange sie nicht zuschlug.
Wie wenig sie von Ram wußte. Persönlichen Fragen wich er nie aus,
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