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Rangun

Rangun

Titel: Rangun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Monson
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Gerechtigkeit dessen hätte sie gutgeheißen, nur daß sie keinen Funken Verstand mehr hatte.«
    »Wie lange war sie schon so wie... heute nacht?«
    »Ich erinnere mich kaum daran, daß sie anders war«, sagte er bitter, »wenn man pedantisch ist. Im Lauf der Jahre wurde sie immer gewalttätiger. Du weißt wohl, daß Vater sie nie geheiratet hat. Ich mußte sie nach seinem Tod vor acht Jahren einsperren, als sie ein Mädchen mit einer Halskette erdrosselte. Nur weil sie glaubte, das Mädchen habe mit mir geflirtet.« Er starrte in den Wein. »Damals verwechselte sie mich oft mit meinem Vater.«
    »Sie muß ihn schrecklich geliebt haben.«
    »Schrecklich. Das trifft es gut. Sie war in der Liebe ebenso leidenschaftlich und schrecklich wie im Haß und sah am Ende nicht mehr den Unterschied.«
    »Du sagst, sie war eingesperrt. Wo?«
    »Sie war in ihrer Suite im Westflügel des Pfauenpalastes eingeschlossen. Das ist einer der Gründe, warum ich dort nie wohnte. Im Zenana hättest du es nicht hören können, aber sie heulte nachts manchmal.« Es klang entrückt, abwesend. »Es war ein Gefängnis, das sie selbst gewählt hatte. Ich bezweifle, daß sie es verlassen hätte, selbst wenn sie es gekonnt hätte. Sie hatte sich freiwillig ins Purdah zurückgezogen. Kalisha war seit mehreren Jahren ihre einzige Verbindung zur Außenwelt.«
    »Aber wie ist sie nach so langer Zeit herausgekommen?«
    »Ich ging heute in ihr Quartier, nachdem ich Pandit Singhs Leichnam untersucht hatte. Sie war dort, mit genug Opium betäubt, um sie für mehrere Stunden ruhig zu halten. Sie muß nach dem Herumstreifen in der vergangenen Nacht dorthin zurückgekehrt sein.« Er fuhr gedankenvoll fort: »>Herumstreifen< ist vielleicht das falsche Wort. Sie muß direkt hierhergekommen sein, sonst hätte sie jemand gesehen. Sie suchte dich. Ich nehme an, Kalisha hat sie damit aufgestachelt, daß ich sie wegen einer Yankee-Geliebten vernachlässige.«
    »Aber warum sollte sie Pandit Singh angreifen? Warum ihn verstümmeln?«
    »Wahrscheinlich hielt sie Singh für mich«, sagte er emotionslos, was Lysistrata beängstigend und traurig fand.
    »Dir fällt es scheint's leicht, das zu akzeptieren«, sagte sie ruhig, »aber für mich ist es schwer. Ich habe ihre Anmerkungen in Indiana gelesen. Sie schien eine völlig andere Person zu sein als die, die du beschrieben hast. Dein Vater hat doch Khandahoor als Huldigung für sie erbaut? Das muß ihren Stolz doch etwas besänftigt haben?«
    »Du vergißt, daß meine Mutter eine Rajput-Prinzessin und eine Despotin war. Khandahoor mag bemerkenswert sein, aber sie betrachtete es als ihr gebührend, so wie sie glaubte, über Leben und Tod ihrer Untertanen bestimmen zu können. Als Frau war sie dabei oft feinsinniger als männliche Herrscher.« Er stockte und fuhr dann leise fort: »Wären die Briten und mit ihnen Vater nicht nach Indien gekommen, wäre sie vielleicht eine große und sehr aufgeklärte Herrscherin gewesen. Da sie stärker und intelligenter als ihre beiden Brüder war, hätten die entweder sie ermordet oder sie diese. Als mein Vater auf der Szene erschien, planten sie ihre Verheiratung mit einem sterbenden Wrack. Suttee hätte ihr Problem binnen eines Jahres gelöst.«
    »Wie lernten sie und dein Vater sich kennen?«
    »Er war diplomatischer Kurier bei Hof nach Ernennung des neuen britischen Gouverneurs über den Distrikt. Als er Mutter gesehen hatte, sorgte er dafür, daß eins zum anderen führte. Sie waren beide erfinderisch. Niemand verdächtigte ihn, nicht einmal, nachdem sie und Kalisha aus dem Palast verschwunden waren.
    Bis sie drei Jahre später mit mir und einer Vergewaltigungsgeschichte in Jaipur auftauchte. Sie hatten die Wahl zwischen ihr und seinem Amt...« Ram zuckte die Schultern. »Wenige glaubten ihr. Normalerweise wären wir erwürgt worden, aber Onkel Sanga hatte Onkel Gulab schon ermorden lassen. Sie versprach Sanga, seine Macht zu festigen. Da sie wußte, daß er sie töten würde, wenn er dieses Ziel erreicht hatte, sorgte sie für Streitereien, die ihn verunsicherten. Sie hätte so ewig weitermachen können, aber es war unwahrscheinlich. Er war alles andere als dumm. Sie wagte nicht, ihn zu töten. Er war ihr einziger Schutz vor Ermordung und Schmach, denn nach ihrer Liaison mit Vater hätte sie nicht herrschen dürfen.
    Nach dem Scheitern der Sepoy-Rebellion waren wir relativ sicher, da die Briten jeden Vorwand einschließlich Mord nutzten, um Ländereien zu konfiszieren. Wäre Sanga

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