Rangun
sorgen, daß du schweigst. Außerdem wird man dir nicht glauben.«
»Warum nicht?«
»Ein Blick auf dich wird ihnen verraten, daß ich dich nicht die ganze Zeit behalten habe, um mein Lendentuch zu stopfen.«
»Dieser Blick wird ihnen auch verraten, daß ich zum Reisen zu krank bin. Und du mußt mich nicht in Bangkok gefunden haben. Du könntest mich von Changs Leuten gekauft haben, sagen wir vor zwei Monaten, während der Verhandlungen über Bartlys Yünnan-Expedition. Sie glauben vielleicht, daß du noch auf ihrer Seite bist. Es läge in ihrem Interesse, dich wieder im Schoß der Familie begrüßen zu können und dafür zu sorgen, daß die Verhandlungen mit Chang nicht gefährdet werden. Ich würde allen einen Gefallen tun, wenn ich heimlich nach Amerika zurückkehrte.« Sie blickte ihn an. »Das könnte gehen.«
Sein Lächeln wurde grimmig. »Du warst also in jener Nacht eine ganze Weile auf der Veranda, ja? Deine Idee ist nicht schlecht, bis auf zwei Dinge. Sir Anthony versuchte, die Expedition vor drei Monaten durchzuführen. Charles Endicott, ihr Führer, wurde in einem Hinterhalt, wenige Kilometer hinter der chinesischen Grenze, getötet. Und du vergißt, daß Prasad auf der Auktion war. Er erkannte mich und wird dich bestimmt nicht vergessen.«
»Wenn er Bangkok weniger freiwillig als zuvor besucht und aufs Schafott wandert, ist unwichtig, woran er sich erinnert«, erwiderte sie. »Und was die Expedition anbelangt, hätte sie Erfolg haben können, wenn Lord Bartly nicht so darauf gebrannt hätte, dich in Rangun zu ruinieren. Und sie kann noch immer erfolgreich sein... wenn er Schadenersatz leistet.«
»Du bist Mutter ähnlicher als ich dachte«, sagte er ironisch.
»Weil ich ein bißchen skrupellos bin?« Sie lachte leise. »Was mein Meerprinz auch sein mag, er ist besser als dieser Gauner Prasad. Prasad würde alles sagen, um Rache für sein verlorenes Expeditionsgeld zu nehmen. Aber ich glaube, er war erleichtert darüber, daß er mich verlor.«
»Er kennt dich nicht so wie ich, aber er ist leicht einzuschüchtern.«
»Ich dachte, wir würden uns nicht mehr beleidigen«, sagte sie ruhig.
»Es ist keine Beleidigung, wenn ich sage, daß ich dich nicht gern gehen lasse.« Er sah sie mit dunklen Augen an. »Denke daran. Wenn der Regen aufhört, wirst du nach Lashio gehen.«
»Aber...«
»Mein Spiel mit den Briten ist fast beendet, Lysistrata. Was immer du auch tust, kann das Ende nur trüben. Ich bedaure nicht so viel, wie du vielleicht denkst, denn ich habe das Spiel länger gespielt, als mir lieb war, und es war kein Spiel, das ich gewinnen konnte. Dein Meerprinz erscheint dir nur in der
Verkleidung eines jungen Mannes. In Wirklichkeit ist er ein dunkles, runzliges, altes Ding, vor dem du zurückweichen würdest.« Und er verschwand so im Schleier des Monsun, wie er sie einst auf dem Pferd im Regen in Rangun verlassen hatte.
Nach einem Monat ließ der Regen nach, und Ram brach mit Kanaka und Friedlander auf, um den Weg nach Lashio zu erkunden. Nach seiner Abreise wurde Traurigkeit Lysistratas ständige Begleiterin. Bis Kalisha sie besuchte. »Nun, er ist fort«, höhnte die Frau, die spöttisch auf die Medizin schaute, die neben dem Bett stand. »Willst du versuchen, wieder zu fliehen?«
»Das ist nicht nötig«, erwiderte Lysistrata gleichmütig. »Er schickt mich heim.«
Kalishas Gesicht verzog sich vor Wut. »Dieser schwächliche Narr! Hätte er sich nicht mit den Shan eingelassen, müßten wir nicht täglich die britische Armee erwarten! Und jetzt ein Feringhi-Weib zu verhätscheln, das ihm seine Männlichkeit ins Gesicht schleudert!«
»Vielleicht ist er so vernarrt in mich, daß er nicht immer so denkt, wie es dir gefällt, Kalisha.«
»Bilde dir nichts ein. Er ist immer schwach gewesen.« Kalisha wanderte durch den Raum. »Schon als er klein war, verachtete Anira ihn deswegen. Sie konnte ihn schlagen und verfluchen, aber er hatte keinen Stolz. Er konnte sie in Momenten der Schwächen immer dazu bringen zu bereuen. Sie versuchte ihn zu lehren, nichts zu lieben, nicht einmal sie, da er sich als Feringhi-Bastard auf niemand verlassen konnte. Um ihn auf die Probe zu stellen, befahl sie ihm, seinen Hund zu erschießen, mußte den Köter dann aber selbst umbringen.«
Kalisha ließ sich wie eine dunkle Wolke auf dem Diwan neben dem Bett nieder. Ihre langnägeligen Finger spielten mit zwei winzigen Goldfiguren von Rama und dem Dämonenkönig Ravana, die auf dem niedrigen Tisch vor ihr
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