Rangun
Khandahoor zu behalten, da mit jedem Tag seine Schuld in den Augen der britischen Behörden größer wurde.
Harry stellte sich vor, wie Lysistrata sich diesem Körper hingab. Er kannte Ram zwar besser als die meisten, wußte aber auch um Lysistratas Leidenschaftlichkeit, ihr Ungestüm und ihre Verachtung für Konvention. Wie würde all dies im Bett sein? Er hatte Lysistrata nie als Sexualobjekt betrachtet, weder als er ihr in Rangun den Hof gemacht hatte, noch als er sie als das Mädchen zu idealisieren begonnen hatte, das gerettet und deren Ehre verteidigt werden mußte. Jetzt zwang Lysistrata ihn, sie als Frau zu betrachten: als mutige, sinnliche Frau, die eine Rechtfertigung für ihr Verlangen als lächerlich empfand.
Nachdem Lysistrata in erschöpften, unruhigen Schlaf gefallen war, begab sich Harry auf die Barke, die mit der North Star vertäut war. Ram lag unter dem Sonnensegel. Sein Haar war schweißnaß, seine aufgeplatzten Lippen lechzten in der drückenden Hitze des nackten Decks nach Luft. Seine Eisen an Handgelenken und Beinen waren an den Planken befestigt. Harry tauchte ein Taschentuch in den Fluß, legte es heftig auf Rams Stirn und fauchte einen Ordonnanzoffizier an, der rauchend im Bug stand. »Wasser hierher. Beeilen Sie sich.«
Ironisches Amüsement überdeckte den Schmerz in Rams Augen. »Sie sind wie Lysistrata, Harry«, krächzte er. »Sie wissen nicht, wann Sie aufhören müssen.«
»Meinen Sie, ich wollte das nicht?« konterte Harry. Er wandte sich an die Ordonnanz, die mit einem Eimer Wasser kam. »Sollte dieser Gefangene wieder vernachlässigt werden, werde ich Sie zur Verantwortung ziehen. Holen Sie den Arzt. Die Verbände sind durchgeblutet.« Die Ordonnanz enteilte.
Harry beugte sich, um Ram Wasser zu geben.
»Nein, danke.«
»Seien Sie nicht blöde. Ich will Antworten von Ihnen, und ich werde sie bekommen, um Lysistratas willen.«
»Ich kann nichts sagen, was ihr helfen würde.«
»Verdammt, haben Sie eine Ahnung, durch welche Hölle sie gehen wird, wenn sie nach Rangun kommt? Haben Sie ihr nicht genug angetan? Oder ist es Ihnen egal?«
Als ob der Schmerz zunähme, schloß Ram die Augen. »Kümmern Sie sich um sie, Harry. Das ist jetzt Ihre Sache.«
Harrys Augen wurden schmal. »Warum sollte ich Ihr Gepäck übernehmen? Sie haben mit ihr geschlafen. Kümmern Sie sich um sie. Sie hat sich wohl nicht gewehrt.« Er lachte sardonisch, als Ram ihn eisig anstarrte. »Ich schuldete Ihnen mein Leben. Das ist bezahlt. Wenn wir nach Rangun kommen, liefere ich Sie Sir Anthony aus und werde befördert. Ihre Nutte kann mit Ihnen am Galgen baumeln.« Er zuckte die Schultern, als Ram mit mörderischem Blick heftig an seinen Ketten zerrte. »Gar nicht unmöglich, wenn jemand behauptet, daß es ein geheimes Einverständnis zwischen Ihnen gegeben hat.«
Er begab sich zum Heck, bis der herbeigeeilte Arzt mürrisch Rams Wunde untersucht und die Verbände gewechselt hatte. Ram blieb danach eine Zeit still liegen. Dann versuchte er, den Wassereimer zu erreichen. In Sekunden war Harry an seiner Seite und führte Wasser an seine Lippen. Ram wollte die Kelle beiseitestoßen, entspannte sich aber dann mit einem kurzen Seufzer. »Ich wußte nicht, daß Sie ein solcher Fuchs sind, Harry.«
Am Ende der Woche erreichte die North Star Rangun. Lysistrata wurde nach Hause zu ihrem Vater gebracht. Ram ins Gefängnis geschickt. Harry wußte kaum mehr über die Morde in Rangun als zuvor, obwohl Ram auf seine zurückhaltende Weise kooperativ gewesen war. Er gab wenig über seine Geschäfte preis, die, wie Harry vermutete, zumeist mit kriminellen Elementen in Verbindung standen. Ram hatte private Ermittlungen wegen der Morde anstellen lassen. Die wenigen Hinweise überprüfte er jetzt sorgfältig, bevor er sie an Harry weitergab. Er vertraute Harry vielleicht sein Leben an, aber nicht das anderer. Der Engländer sah bald ein, daß Rams asiatischer Einschlag tiefer ging, als seine einheimische Kleidung. Für Ram war Leben Leben, aber Geschäft Geschäft.
Rams und Lysistratas Zustand verbesserten sich dank der Pflege auf der Reise nach Rangun, aber Ram hatte nur die Kraft, kurze Zeit zu sprechen. Obwohl er viele Feinde hatte, vermutete er, daß ein Konkurrent im Drogengeschäft den größten Profit durch die Morde gemacht hatte. Selbst Boh
Myin war ein Drogenhändler, der durch Rams Ausscheiden profitiert hätte. Aber Myin hatte nicht damit geprahlt und traf gewöhnlich direktere Maßnahmen, um sein Einkommen zu
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