Rangun
fürchte, ich habe Sie sehr unterschätzt.«
»Ja, das haben Sie«, erwiderte Evelyn kühl, »aber ich werde Ihnen gern verzeihen, wenn Sie auf dem Schiff nach Amerika sind.«
An diesem Abend erhielt Lysistrata eine Nachricht. »Anne erinnert sich an nichts. Claus weiß nichts. Sir Anthony sieht sich die Beweise nochmals an.«
KAPITEL 16
Affen und Papageien
Und mögen auch viele Lichter erlöschen, und mögen viele weinen um die, die zermalmt im Getöse schriller Anwürfe,
Gottes gerechter Zorn wird doch den größten Lügner treffen
ALFRED, LORD TENNYSON
Lysistrata war über Evelyn Chiltons Nachrichten von Anne nicht überrascht und in Hochstimmung wegen Bartly, aber mißtrauisch wegen Bettenheims Vergeßlichkeit. Wenn er so mächtig war, wie Ram meinte, mußte er von Garotte gehört haben. Aber wie war er dazu zu bringen, das zuzugeben? Ohne Druckmittel konnte sie ihn nicht wie Prasad lenken -nicht, daß Prasads Erpressung etwas genutzt hätte, denn der war schon auf dem Weg nach Indien. Doch... vielleicht hatte sie ein Druckmittel. Der Gedanke, es zu benutzen, war ekelhaft und brachte Bettenheim vielleicht Vorteile, aber da Ram im Schatten des Galgens stand...
Sie entschied sich. Niemand durfte ihre Absicht erahnen, am wenigsten Harry und ihr Vater. Nicht einmal Ma Saw, die während des letzten Jahres für John Herriott mehr als eine Haushälterin geworden war. Trotz ihrer Diskretion hatte Lysistrata kleine Hinweise wahrgenommen: ihre ähnliche Denkweise und das versteckte Lächeln, jeden Tag die frische Blume am Revers des Doktors und Ma Saws Verzicht auf helle Ohrringe, die sie gegen bescheidene Perlen getauscht hatte. Früher wäre Lysistrata entsetzt gewesen, nicht wegen einer Liaison zwischen Menschen mittleren Alters, die so verschiedener Herkunft waren, sondern weil es so unerwartet war. Die junge, köstliche Sein war ein naheliegendes Ziel für die Leidenschaften eines älteren Mannes - das wäre verständlich gewesen. Ma Saws Charme war weniger offensichtlich. Jetzt wirkte Herriotts Zuneigung zu Ma Saws Treue, Herzlichkeit und praktischer Intelligenz völlig natürlich. Die starke physische Ausstrahlung von Ma Saws Munterkeit und Witz würden Seins oberflächliche Schönheit überdauern, hatten sie traurigerweise schon überdauert.
Und wenn Claus Bettenheim Garotte war, würde ihr Leben so kurz wie Seins sein.
Da Lysistrata sicher war, daß Masjid eher loyal Ram als Dr. Herriott diente, bat sie ihn, Bettenheim eine Botschaft zu überbringen. Als er sie gehört hatte, sagte er nichts, sondern führte den Auftrag aus. Jetzt weiß ich, warum Ram ihn beschäftigt, dachte sie. Schweigen ist Gold.
Masjid kehrte am späten Nachmittag zurück. »Ich habe die Botschaft Mr. Bettenheim auf seiner Plantage überbracht, Missy. Nur ein Diener hat mich gesehen.«
Verstehend nickte sie. »Wie war seine Antwort?«
»Er ist einverstanden.«
»Gut«, log sie. »Jetzt muß ich mir nur ein Kleid erbetteln, leihen oder stehlen.«
»Dazu haben wir fast eine Woche Zeit, Missy.«
»Wir, Masjid? Und warum eine Woche? Ich habe Mr. Bettenheim diesen Abend vorgeschlagen.«
»Es ist nicht erforderlich, daß Sie mehr als nötig allein unternehmen. Ich werde ein geeignetes Kleid beschaffen. Was den Rest anbelangt«, er schwieg kurz, »Mr. Bettenheim bedauert, daß dieser Abend ihm nicht paßt. Am nächsten Donnerstag hat er Zeit.«
»Zeit!« schnaubte sie. »Dann läuft der Prozeß schon drei Tage! Er will mich noch weiter in die Ecke drängen.«
»Geschäfte mit Mr. Bettenheim sind nie erfreulich.«
Sie biß sich auf die Lippe. »Ich traue ihm nicht. Wenn er am Donnerstag einen seiner Box- Wallah -Freunde bei sich hat und dann für die Anklage aussagt, könnte er mich der Zeugenbeeinflussung beschuldigen.« Sie ging auf und ab. »Er könnte es beweisen und Rams Position schwächen.«
»Vielleicht wird seine Lust keine Gesellschaft dulden«, meinte der Inder milde.
»Früher vielleicht; jetzt nicht mehr. Er haßt Ram mehr, als er mich verehrt. Was wenn... Masjid, sag ihm, daß ich mit Donnerstag einverstanden bin. Um neun. Er wird überzeugt sein, daß ich kommen werde.«
Masjid neigte mit feinem Lächeln den Kopf »Sie haben nicht die Absicht, dieses Stelldichein zu halten, richtig?«
»Du hast recht. Ich werde früher kommen, mehrere Abende zu früh. Du kannst mir helfen zu entscheiden, an welchem, indem du jemand vom Küchenpersonal überredest, dir zu sagen, an welchem Abend unser Troll allein zu Abend
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