Rangun
dachte an den schweinischen, unfähigen Kerl, der das Hospital leitete, der Plattitüden drosch und heimlich Medikamente in Rangun verhökerte. An Männer ohne Freunde, Gott und Hoffnung, die an Ketten zerrten und an Vertrauensleute, die ihre Rationen stahlen. An einen Gefangenen, der im Schlaf erstickt war und den man im Morgengrauen fand, seine Tätowierungen ihrer dekorativen Goldeinlagen beraubt. An einen würgenden Henkerstrick und das Erkennen, daß der Alptraum Wirklichkeit war, das hassende Gesicht des Todes, das ihn anstarrte, während er an dem stählernen Ring zerrte, der in seine Kehle schnitt. An das Gefühl, wie seine Brust zerriß und wie er dem Heulen seines Blutes lauschte, als er den Stahl beiseite drückte und dem Alptraum einen heftigen Schlag versetzte. Daran, wie er in einen Ofen gezwängt wurde, der unter sengendem Himmel weiß glühte. Daran, wie er nach Wasser gierte, bis sein Schädel zu schrumpfen schien und der Schmerz in seiner Brust ihn erbrechen ließ. Daran, wie er von einer grünäugigen flammenden Frau vergewaltigt wurde, wie er sich unter ihrer sengenden Berührung krümmte, als sie ihn in Ekstase versetzte und dann mit Pein erfüllte. Er hatte Blut gespuckt, aber nicht geschrien, hatte nicht das Geheimnis seiner Verdammnis verraten, seiner verführerischen Hölle. Er dachte an all die Schrecken, die er nicht erleben würde. Den Haß, den er nicht dämpfen würde. Armer Harry. Er erkannte nicht einmal ein Monster, wenn er es sah, sondern nahm es an seine Brust.
»Ärger wäre in meiner Position ein tödlicher Luxus, Harry.«
Der junge Engländer seufzte und zog dann einen Stuhl heran. »Sie haben wohl recht. Tut mir leid. Ich versuche nur, meinen Kopf zu behalten.«
»Haben Sie einen Beweis gefunden?«
»Nichts, was vor Gericht helfen würde«, Harry lächelte verzerrt, »aber genug, um mich zu überzeugen, daß Sie kein Monster sind.«
Ram lächelte schief. »Dann halten Sie mir Lighter und Herriott vom Leib.«
»Was?«
»Das Henkerseil ist ein bißchen roh. Ich bevorzuge es, mein Leben auf... natürliche Weise zu beenden.«
Harrys Blick fiel auf das blutunterlaufene Würgemal an Rams Kehle. »Ich verstehe Sie... aber ich kann Sie nicht einfach so sterben lassen. Das würde ich nicht mal mit einem Hund machen.«
»Nein, das würden Sie nicht, Leutnant«, sagte Ram leise. »Sie haben ein weiches Herz.«
»Halten Sie mich für einen Schwächling?« fragte Harry steif.
»Das würde ich, wenn die Welt von Pol zu Pol Brei wäre.« Ram hob eine Hand. »Gehen Sie, bevor Sie vor Gericht gestellt werden.«
Harry ergriff fest seine Hand. »Sie können mich nur erschießen. Mein Geschmack an Hinrichtungen ist nicht so ungewöhnlich wie Ihrer. Wir sehen uns beim Prozeß.«
Lysistrata saß reglos da und schaute zu, wie eine Bachstelze ein Nest am Schlafzimmerfenster baute. Wie sicher der Vogel schien, daß sein Nest morgen fertig sein würde und er es brauchte, und daß dieses zerbrechliche Gebilde allen menschlichen und natürlichen Elementen widerstehen würde. Sie fühlte sich so naiv und vergänglich wie das Nest, fühlte, daß sie blindlings eine nutzlose Funktion angesichts sicherer Zerstörung erfüllte. Doch da sie vom gleichen Instinkt getrieben wurde, der den Vogel beherrschte, würde sie weiter Gerechtigkeit suchen, solange Ram noch lebte.
Solange... Wochen? Tage. Die Briten hatten es eilig mit dem Hängen. Es hatte nicht Leacocks Eingreifens bedurft, um zu wissen, daß sie nicht zu Ram gehen durfte, doch ihre Seele sehnte sich nach ihm. Konnte sie nichts anderes tun, um ihm zu helfen? Dann fiel ihr eine unerfreuliche Möglichkeit ein.
»Ram Harley helfen? Miß Herriott, Ihre geschmacklosen Unverschämtheiten erstaunen mich immer wieder. Ich beklage noch meinen Gatten.« Evelyn Chiltons malvengraue Witwenkleidung schmückte sie bewundernswert, und ihre indignierte Pose hätte ein Theaterpublikum beeindruckt.
Lysistrata musterte sie kühl. »Das wußte ich nicht. Sie müssen sehr erleichtert sein.« Sie setzte sich auf das Sofa, als wolle sie Wurzeln schlagen. »Ich nehme an, sein Tod erfolgte kurz nach Rams Verschwinden.«
»Ich war vernarrter in Nigel, als Sie denken mögen, und Ram Harley ist schuld an seinem Tod«, sagte Evelyn kalt. »Bei den Ermittlungen gegen Harley erlitt mein Gatte einen Hirnschlag.«
»Was hatte General Chilton mit einer Zivilsache zu tun?«
Evelyns Augen verengten sich. »Ram Harley hat nicht nur Zivilverbrechen begangen.«
»Zu der
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