Rangun
übertriebenem Schminken. Oder den europäischen Masken des Mittelalters.«
»Ich gestehe, ich weiß wenig über mittelalterliches Theater. «
Während Harley die Masken erklärte, saßen er und Lysistrata auf Klappstühlen direkt vor der Pwe- Arena. Der Sand der umliegenden Straßen war durch das plaudernde, zigarrenrauchende Publikum kaum zu sehen. Kein Maultier hätte sich hindurchdrängen können. Selbst die Dächer waren überfüllt. Ihr Vater war während des zweiten Aktes verschwunden, um in einem der Palmweinläden Schnaps zu holen. Jedermann plauderte ungezwungen, als ob nur Musik zu hören sei.
»Mit den Masken begann das Theater des Westens«, fuhr Harley fort, »aber der Osten ist einen anderen Weg gegangen. Hier finden Sie das Drama in seiner reinsten Form. Oft gibt es Aufführungen mit lebensgroßen Puppen.«
Sie lachte, weil sie sich in einem der fraulichsten Kleider der schwangeren Louisa sehr wohl fühlte. »Künstlichkeit in ihrer reinsten Form.«
»Künstlichkeit in Ost und West ist eine Form von Selbstschutz. Menschen, die so eng Zusammenleben wie in Asien, entwickeln kunstvolle Methoden, um ihre Privatsphäre zu wahren.«
Sie wurde sofort vorsichtig. »Künstlichkeit ist auch eine Form von Heimlichkeit.«
»Wenn Sie meinen. Oft gibt es nichts zu verbergen. Es ist nur eine Lebensweise.«
»Ich verstehe, was Sie meinen«, stellte sie gleichmütig fest. »Perlen bestehen nur aus hübschen Schichten; darunter liegt nur ein wenig Schmutz.«
Seine Augen verengten sich leicht. »Perltauchen ist ein gefährlicher Beruf, vor allem für Amateure, die selten wissen, wonach sie suchen.«
»Perlen interessieren mich nicht sonderlich, Mr. Harley«, erwiderte sie. »Mir ihnen verbindet sich traditionell Pech.«
»Eine weise Entscheidung.« Er lächelte, als sei er innerlich amüsiert. Er schaute wieder zu den Schauspielern. »In diesem Fall hat Evelyn beschlossen, auf ihre Perle zu verzichten und wieder eine einfache Auster zu sein.«
Lysistrata starrte ihn einen Moment an. Als sie dann zu verstehen begann, warf sie den Kopf zurück und lachte. »Ich glaube es nicht! Warum sollte sie das?«
»Die Gemeinschaft zwischen Auster und Perle ist mehr parasitär als liebevoll.«
Sie sah ihn spöttisch an. »Als nächstes werden Sie mir erzählen, daß es nur ein Reizzustand ist.«
Ein Lächeln umspielte seinen Mund. »Man kann sich an die meisten Dinge gewöhnen.«
Lysistrata merkte, daß sie nicht wissen wollte, wie lange er und Evelyn gebraucht hatten, um sich aneinander zu gewöhnen. Sie hörte auf zu hänseln. »Mr. Harley, ich kann mir gut vorstellen, wer Dr. Lighter vorgeschlagen hat, meinem Vater die Verantwortung für die Bestellungen in Singapur zu übertragen. Wenn Sie sich bei meinem Vater lieb Kind machen wollen oder versuchen, ihn sich zu verpflichten, damit ich schweige, können Sie sich die Mühe sparen. Ich will nur die Ballnacht vergessen, und besonders Sie und Evelyn Chilton. Was Sie tun, ist Ihre Sache.« Ihr mißfiel, wie aufmerksam er sie ansah, aber sie wußte, daß er nicht mehr Grund hatte, ihr zu glauben, als sie ihm.
»Also gut«, sagte er schließlich.
Zu diesem Thema wurde nichts mehr gesagt. Schweigend schauten sie zu, wie Hanumam und die Schurken mit langen
Stöcken kämpften. Während Hanumams Siegestanz kam Dr. Herriott aus dem Palmweinladen. »Ich hab' dem lustigen Affentheater aus dem Fenster zugeschaut«, sagte er fröhlich und reichte ihnen gesalzene Zithee -Pflaumen.
Das nächste Stück war weniger lustig, eine Romanze zwischen einem Bürgerlichen und einer Prinzessin. Zwei Stunden vergingen, in denen die Protagonisten nur Liebesgedichte tauschten. Dann wurde Dr. Herriott unruhig und lehnte sich zu Harley hinüber. »Wie lange dauert das denn?«
»Es endet gegen Mitternacht.«
Herriott erschrak. »Das sind ja noch sieben Stunden!«
Harley lachte. »Im birmanischen Theater ist der Weg der Liebe nie geebnet.«
»Doch offensichtlich unausweichlich«, bemerkte Lysistrata.
Harley machte eine seiner fließenden Bewegungen. »Wir verpassen wenig, wenn wir ein Weilchen fortgehen. Wie Sie sehen, kommen und gehen viele Leute während der Vorstellung. Sie machen sogar Nickerchen. Bei Pwes wird viel getrunken und geplaudert. Das Ende beginnt erst gegen neun.«
»Ich würde gern etwas Palmwein probieren«, verkündete Lysistrata.
Herriott und Harley wechselten über ihren Kopf hinweg Blicke. Harley stand auf. »Ich werde Ihnen etwas bringen, Miß Herriott. Doktor,
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