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Rangun

Rangun

Titel: Rangun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Monson
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ihre Furcht zu unterdrücken. »Ich bin Krankenschwester... ich will zu Mr. Harley.«
    Seine Augen verengten sich, dann streifte er ihren Regenhut ab. Furchtsam wich sie an die Wand zurück. Er musterte ihr Gesicht und Haar, öffnete dann die Tür und winkte sie hinein. Sie betrat den Raum und sah voller Erstaunen Sein im Lotussitz auf dem Boden neben Harleys Bett sitzen. Neben ihr hockte ein runzeliger Sayah, mit Turban und Pasoh- Lendenschurz bekleidet. Zwischen ihnen lagen auf einem Tuch seine Mittel ausgebreitet: Alles von Rhinozeroshorn und Kräutermischungen bis hin zu Fetischen. Seins Augen weiteten sich angewidert, dann eifersüchtig: »Was tun Sie hier?« fragte sie ärgerlich.
    »Das könnte ich dich auch fragen«, konterte Lysistrata.
    Der narbige Hindu hinter ihr sagte schnell etwas auf birmanisch zu dem Mädchen. Sie sah ihn mürrisch an und nickte dann. Er verbeugte sich vor Lysistrata und verließ den Raum.
    »Nun«, Lysistrata verschränkte die Arme, »was tust du hier?«
    »Ich kümmere mich um Tuan Harley«, erwiderte das Mädchen stolz, wobei sie bedeutungsvoll die Brauen hob. Sie wartete mit der Geduld eines Besitzers, als Lysistrata, die ihren Zorn und ihre Angst zu verbergen versuchte, sich rasch zu der unruhigen, bewußtlosen Gestalt auf dem schmalen, seidengedeckten Regency-Bett begab. Harley atmete, obwohl seine Hautfarbe erschreckend bleich war. Unbewußt glättete sie das Kissen, erfaßte es, damit ihre Hände nicht mehr zitterten. Sie freute sich, daß er noch lebte und war zugleich eifersüchtig auf Sein. Harley schien ein hartes, spartanisches Bett zu bevorzugen. Es sah nicht aus, als lägen oft Frauen darin.
    »Was genau tust du für ihn?«
    »Ich bade ihn.« Sein lächelte sie wissend an. »Ich wechsle
    Bettzeug und Schüsseln. Ich warte. Nichts zu tun, außer zuzusehen, wie alter U Ba Zauber macht.« Sie winkte verächtlich auf die Tür. »Bis auf den Diener und Scarface Naswral sind alle davongelaufen. Er bleibt nur, weil er unberührbar ist. Kann nirgendwohin.«
    Lysistratas Lippen spannten sich, als sie Harleys Puls fühlte. Er war schwach. Das zweite Stadium der Cholera hatte bereits begonnen, aber sie wußte nicht, ob dies die tödliche chinesische Variante war. Der alte Sayah begann zu murmeln, als sie ihren Regenmantel ablegte. »Darf ich fragen, wie du Mr. Harley kennengelernt hast?«
    »Er eines Tages Lunch mit Ihrem Vater.« Das Mädchen ließ sich von Lysistratas kalter Ruhe nicht täuschen. »Sie ausgegangen.« Sie sah zu, wie Lysistrata die weißklare Flüssigkeit in der Schüssel am Bett untersuchte, dann Harleys Augenlider hob. »Warum gehen Sie nicht heim? Ich weiß, was zu tun ist.«
    »Was hast du ihm gegeben?«
    »Was meinen Sie?« entgegnete Sein jämmerlich.
    »Seine Pupillen sind durch Drogen erweitert.« Lysistrata starrte auf sie hinab. »Also?«
    »Ich gebe Opium«, sagte das Mädchen trotzig. »Halte ihn ruhig, damit er nicht so krank, helfe, wenn Schütteln kommt.« Sie beugte sich streitsüchtig vor. »Was tun Sie?«
    Nicht viel, dachte Lysistrata grimmig. Du hast dich um alles gekümmert, du und dieser rappeldürre Quacksalber, aber ich werde ihn nicht mit Opium umbringen. »Was du nicht getan hast«, gab sie laut zurück. »Unter Drogen kann er ersticken, wenn er brechen muß.« Sie nahm den leeren Wasserbehälter, der neben dem Nachttisch stand. »Wir geben ihm erst einmal Wasser, soviel wir in ihn hineinbekommen... bis es vorbei ist.« Sie drückte Sein das Gefäß in die Hand. »Füll es und schlaf dann ein paar Stunden. Ich werde dich rufen. Heute nacht und morgen früh wird es am schlimmsten sein.«
    Sein sprang auf und wollte widersprechen. Lysistrata verhinderte das. »Sei nicht dumm. Du brauchst mich so sehr, wie ich dich. Morgen muß ich wieder ins Hospital, und du wirst ihn dann beaufsichtigen. Du mußt etwas ruhen.« Sie neigte den Kopf zur Tür. »Harleys Wachhund sieht nicht so aus, als entleere er Bettpfannen, und dieser alte Mann weiß nicht mal, was das ist.«
    »Gefällt mir nicht«, erwiderte Sein ärgerlich. »Sie gehen!«
    Lysistrata richtete sich auf. »Mir ist egal, was dir gefällt. Tu, was ich sage - oder verschwinde. Naswral wird dafür sorgen. Er weiß, auf welcher Seile sein Brot gebuttert ist.«
    Mit einem Blick, als wollte sie Lysistrata den Schieber vor den Mund kleben, ging Sein Wasser holen.
    Lysistrata starrte auf Harley hinab. »Lebe«, flüsterte sie. Dann heftig: »Verdammt, lebe. Lebe, um mich zu lieben oder mich

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