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Rangun

Rangun

Titel: Rangun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Monson
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scheinheilig ist. Mr. Richard Harley.«
    Sein Ärger verschwand sofort. Er richtete einen Finger auf sie. »Kommen Sie mit.«
    Sie richtete einen Finger auf den Mann am Boden. »Und er?«
    »Pfleger!« trompetete er. Ein kleiner, nervöser Inder erschien. »Kümmere dich um den Wallah!«
    In seinem schmutzigen Büro fragte Lysistrata: »Harley sagt, Sie würden ihn nicht aufnehmen. Stimmt das?«
    »Hören Sie auf zu kreischen! Ja, es stimmt.« Mit unfrohem, ärgerlichem Blick setzte er sich wie eine Kartoffel in einem
    Sack auf seinen Schreibtisch. »Mir gefällt das ebensowenig wie Ihnen, aber ich kann nichts dagegen tun. Ich habe in diesem Hause etwas zu sagen, aber nicht das Sagen.«
    »Richard Harley ist halb Engländer! Das ist eine Epidemie!«
    »Er könnte so englisch wie Queen Victoria sein, aber wenn Vicky eine weit entfernte indische Großtante hätte, säße sie draußen im Regen mit Mumps, Masern oder Pest.«
    »Das ist abscheulich! Ich dachte, zumindest der Westflügel sei für die Einheimischen reserviert.«
    »Wo haben Sie das denn gehört?« gab er zurück.
    Sie beugte sich vor. »Aber dieses Haus ist lächerlich groß. Es könnte fast das ganze Quartier aufnehmen. Was ist im Westflügel? Patienten können es nicht sein!«
    »Holz«, sagte er verdrossen. »Holz und Reis und Seide. Überschuss der Erträge der Angehörigen des Hospitalaufsichtsrates, von denen die meisten Kaufleute sind.«
    »Wie Bettenheim?«
    »Wie Bettenheim.«
    Sie sank auf einen Stuhl und funkelte die Wand an, als ob die der deutsche Unternehmer sei.
    »Wo ist Harley jetzt?« forschte Lighter.
    »Zu Hause, wenn er nicht von meinem Pferd gefallen ist.«
    Er runzelte die Stirn. »Das ist nicht gut. Seine Diener werden ihn nicht anfassen. Ist eine verdammte Schande. Er ist ein guter Mann.«
    »Was ist so gut an ihm?« fragte sie mit beißender Ironie. »Er ist doch ein Farbiger, oder?«
    »Er kann Medikamente beschaffen, wo und wann es niemand anders kann, und er verkauft sie an das Queen Anne's zu einem Bruchteil dessen, was sie auf dem freien Markt bringen würden.« Seine Augen glitzerten boshaft. »Ich denke, er gibt sie den Einheimischen für noch weniger. Diejenigen, die sie Wiederverkäufen wollen, verschwinden.«
    Seine Finger schnippten. »Puff.« Er lächelte böse. »Er ist kein ganz guter Mann.«
    »Aber nützlich«, preßte sie heraus.
    »Das beschreibt ihn treffend.«
    »Ich habe ihn immer für einen Bastard gehalten.«
    »Ich weiß.«
    »Ich werde heute nicht zweimal Dienst machen«, sagte sie kühl, als er Papier und Bleistift nahm und zu schreiben begann. »Ich gehe heim.«
    Sein Grinsen war wissend. »Sie entscheiden, wohin Sie gehen.«
    »Bastard.«
    Er warf den Kopf zurück und lachte. Dann schob er ihr Harleys Adresse zu.
    Der muslimische Diener, der die Tür von Harleys Stadthaus öffnete, bekam große Augen, bevor er sich eilig verneigte. »Wie kann ich Ihnen helfen, Miß?«
    »Ich will Mr. Harley helfen. Ich bin Krankenschwester.«
    Sein Blick fiel auf die Straße hinter ihr, die wie die Loo Gow Street in einem wohlhabenden chinesischen Viertel lag. Erleichtert, niemanden zu sehen, der wegen einer unbegleiteten Amerikanerin an der Tür seines Herrn neugierig sein könnte, stammelte er: »Wen soll ich...?«
    Sie fiel ihm ins Wort. »Unwichtig. Mr. Harley kennt mich.« Entschlossen schob sie sich an ihm vorbei ins Foyer, das bis auf seine Kerze düster war. Vergoldete Hepplewhite-Mahagoniestühle standen an den Wänden, Tische und Kommode waren von Adam. Birmanische Landschaften hingen an den cremefarbenen Wänden, und durch die offene Bibliothektür sah sie das große Porträt eines stattlichen, schnurrbärtigen britischen Oberst, wahrscheinlich Harleys Vater William. Die einzigen Hinweise auf Harleys östliche Herkunft waren eine goldene Rama-Statue auf der Kommode sowie Ch'ing-pai und Kuan Porzellan aus der Sung-Dynastie in der Bibliothek. Trotz des exzellenten Mobiliars wirkten die Räume karg. »Wo ist er?«
    »Das Zimmer des Sahib ist oben«, erwiderte der Diener zögernd, kam anscheinend plötzlich zu einem Entschluß, drückte ihr die Kerze in die Hand und zog sich in die Küche zurück.
    Lysistrata stieg die Treppe hoch. Ein Hindu hockte neben der Schlafzimmertür. Er starrte sie an, erhob sich langsam und legte eine Hand auf den Griff seines breiten Schwertes. Seine Augen waren kalt und ausdruckslos, und über sein Gesicht zog sich vom Haaransatz bis zum Kiefer eine Säbelnarbe. Lysistrata versuchte

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