Rangun
sich und bückte sich gerade noch rechtzeitig, um der Klinge eines Dah auszuweichen. Er feuerte, und ein dumpfer Aufprall war zu hören. Er bedeutete Friedlander, seine Position zu übernehmen, winkte Kanaka an die Rückseite der Hütte und stieg dann die Leiter hoch. Der Tuchfetzen, den er um den Gewehrkolben gebunden hatte, wurde von einer Kugel durchschlagen, als er seine Waffe über die Veranda hielt. Friedlander feuerte nach oben, und ein Körper stürzte durch die Palmwedelwand. Als Ram den Fetzen wieder schwenkte, geschah nichts. Er spähte vorsichtig durch die Tür und kroch dann hinein.
In der Hütte regte sich nichts. Schmeißfliegen umsummten bereits die Leichen auf dem Boden. Ein Enfield-Gewehr lag neben der Lücke in der Hüttenwand, die der andere Bandit gerissen hatte. Auf ein leises Geräusch hin wirbelte Ram mit erhobener Waffe herum. Lysistrata stand im Türeingang und hielt das Messer umklammert. »Was tust du hier, verdammt?« sagte er barsch. »Ich sagte dir, du solltest dort bleiben.«
»Mir schien es ein wenig jämmerlich, mich selbst erdolchen zu müssen, nur weil du beschäftigt bist. Außerdem wollte ich Bohs neues Gewehr sehen«, erwiderte sie. »Ist das...?«
Er verfiel ins Birmanische und schnitt ihr das Wort ab. »Er ist uns entwischt. Boh Chaik ist nicht hier.« Seine Augen richteten sich bedeutungsvoll zum Dach.
»Oh? Zu schade«, fuhr sie gleichmütig fort. »Dann wird er wohl hier weiter rauben.«
Er winkte sie zu der schattigen Wand, wo sie weniger deutlich zu sehen war. »Ja. Schade. Dachte, wir hätten den schleimigen Bastard. Wir müssen jede Hütte durchsuchen, um sicherzugehen.« Er gab ihr schnell sein Gewehr, zog dann ein dünnes Rohr aus dem Lendentuch und bedeutete ihr, weiter zu reden.
Lysistrata plauderte kaltblütig los, während er rasch aus dem Fenster glitt. Sein Kopf und seine Schultern waren nicht mehr zu sehen. Während sie sprach, das Gewehr auf den Boden gerichtet, spähte Ram durch einen Spalt in der Palmwedelwand und schob dann das Rohr durch einen darunterliegenden Ritz. Er pustete. In der Hütte schlug sich der Mann, der über der Leiter schwebte, auf seinen Hals, als sei er gestochen worden. Dann drehte er sich halb in die Richtung, aus der das gekommen war. Sein Gewehr fuhr herum.
Mit einem erstickten Schrei wankte Lysistrata zurück, als ein Körper durch die Dachluke fiel und vor ihren Füßen liegenblieb. Ein winziger, gelbgefiederter Pfeil ragte aus seinem Nacken. Seine Zunge begann bereits zu schwellen. Ram schwang sich durch das Fenster. »Der Boh?« fragte sie angewidert.
»Persönlich.«
Die Winchester über eine Schulter geschlungen, richtete sie das Gewehr des Banditen, das sie ergriffen hatte, auf Rams Körpermitte. »Und hier ist seine neue Geliebte. Willst du mal sehen, wie gut sie ist?«
Er spielte mit dem Rohr an seinen Lippen, als sei es eine Zigarre. »Ich bevorzuge dieses kleine Ding. In nächster Nähe ist es genauer als ein Gewehr. Das Gift an den Pfeilen verursacht starke Ödeme.« Sein Blick wanderte interessenlos über Boh Chaiks Leiche. »Der wird sich bald auflösen.«
Mit schwachem Lächeln reichte sie ihm sein Messer und das Gewehr. »Ich glaube nicht, daß du mit Spielzeug handelst.«
Er warf ihr das Rohr zu. »Bitte sehr. Es ist nicht geladen.«
Kanakas Körper füllte den Türeingang. »Ein paar Dorfbewohner sind zurückgekommen. Sie hörten die Schüsse und wollen wissen, wer gesiegt hat.« Er blickte auf die Leiche, dann auf die Gewehre.
Friedlander, der hinter dem Polynesier stand, zeigte ebenfalls Interesse an dem Arsenal. »Das waren Enfields. Boh Chaik muß sie von den verdammten...«
»Flußhändlern haben«, fiel Ram ein. »Wir sollten vorsichtig sein.«
Lysistrata musterte sie nachdenklich, als sie die Gewehre einsammelten. Etwas stimmte da nicht. Enfields waren englisch. Was, wenn die >Flußhändler< auch englisch waren? Ram würde nicht wollen, daß sie erfuhr, daß Hilfe in der Nähe war. Andererseits war Hilfe von Leuten sehr fragwürdig, die einem Schlächter wie Boh Chaik Waffen lieferte.
Sie kümmerte sich um Kanakas Schulter, während
FriedIander den Dorfbewohnern sagte, daß Boh Chaik und seine Männer tot seien. Jubel wurde laut, und zwanzig Minuten später waren die Hütten wieder voller Leben.
In dieser Nacht wurde gefeiert, und was von den Vorräten des Dorfes übriggeblieben war, wurde den Rettern angeboten, als sei es allen egal, ob es anschließend je wieder etwas zu essen gäbe.
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