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Rangun

Rangun

Titel: Rangun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Monson
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Lysistrata stopfte sich voll, während endlos lange Lieder gesungen wurden, die die Dorfgeschichte erzählten, die Kriege Anawrazhas, die Jugend Buddhas und die Ereignisse des Tages - die sehr verherrlichend und völlig ungenau waren. Obwohl die Frauen nach den Männern aßen, mischten sie sich unter sie, vor allem, nachdem sie mehrere Stunden lang Schnaps getrunken hatten. Schließlich sackte Lysistrata, die auf einer Matte saß, zusammen und schlief mit glückseligem Lächeln ein.
    Als sie erwachte, fühlte sich ihr Kopf an, als sei er mit einem Dah geteilt worden. Der Boden war mit Menschen übersät, die genauso in den Schlaf gefallen waren wie sie. Ram war nicht unter ihnen. Sie begab sich zwischen den Schläfern hindurch zur Tür. Kanaka und Friedlander saßen unter einer Tamarinde und reinigten die Enfields. Als sie auf sie zuging, nickte Friedlander zu einer kleinen Pagode am Rande der Lichtung. »Ram ist dort«, verkündete er, als ob der Aufenthaltsort seines Herrn alles sei, woran eine Frau denken könne. Sie begab sich zu der Pagode.
    Er saß an der Hintertür, und seine Daumen und Mittelfinger ruhten auf seinen Schenkeln. Obwohl er sie eintreten gehört haben mußte, blieb er so stumm und reglos wie ein Götzenbild.
    »Wir sind ja heute sehr gesprächig«, bemerkte sie sarkastisch. Und bekam keine Antwort. An die Wand gelehnt betrachtete sie die schlichten, verblichenen Fresken der Vedas. Minuten vergingen. Sie hatte nie über sein Beten nachgedacht, vor allem vor einem Götzenbild, das man in Boston als primitiv und heidnisch betrachtet hätte. Sie fühlte sich unbeholfen und gelangweilt und war über ihren Kopfschmerz verdrossen. »Ich nehme an, du dankst Buddha dafür, daß Boh Chaik dich gestern nicht durchsiebt hat.«
    »Nein«, sagte er kurz. »Ich meditiere.«
    »Wie ein Mönch?«
    »Wenn ich über Gott nachdächte.«
    »Worüber denkst du nach? Über Flußhändler?«
    »Unter anderem.« Er sah sie an. »Meditation beruhigt den Geist. Du solltest es auch einmal versuchen.«
    »Ich bin mehr von der Art beeindruckt, wie dein Pfeil Bohs Geist beruhigte. Ich frage mich, was er jetzt wohl Buddha sagen wird.«
    »Setz dich«, sagte er ruhig.
    »Habe ich den Großen Helden des Pusterohres wütend gemacht?« Sie ließ sich lässig vor ihm auf den Boden sinken.
    »Warum solltest du?« sagte er ruhig und legte seine Fingerspitzen an ihre Schläfen. Ihre grünen Augen wurden wachsam, und sie wollte protestieren. »Schweig«, murmelte er, »und lausche.« Sie runzelte fragend die Stirn. »Lausche der Stille, Lysistrata, und denke an nichts... Nada. Laß es in dir hallen... Nada ...« Seine Fingerspitzen begannen sich kreisförmig auf ihren Schläfen zu bewegen. Nach einer Weile strichen seine Daumen über ihre Nasenflügel, bewegten sich dann fest nach oben über das Stirnbein. Seine Hände waren beruhigend, und sie schloß dankbar die Augen. Er fuhr mit dieser sanften Massage fort, bis sie schläfrig wurde. Ihr Kopf fiel leicht gegen seine Hand, und ihr Haar fiel wie Seide auf sein Handgelenk. Ihr Atem wurde ruhig und gleichmäßig. Als seine Hand verharrte, öffnete sie ihre Augen und sah sein Gesicht sehr nahe vor sich. Sie fühlte nichts, keine Furcht, keine Sorge, kein Sehnen. Sie waren eins, trieben wieder im Fluß, nur ohne zu kämpfen, ohne fleischliche Grenzen. Sie wollte so auf ewig weitertreiben, ins Nada.
    Friedlander brachte sie in die Wirklichkeit zurück. »Fertig zum Aufbruch?« fragte er fröhlich. »Direkt hinter den Hügel ist Zuhause.«

KAPITEL 9
Khandahoor
    Und denken wollt' sie, doch wohin ihr Blick auch eilte,
    Verwirrung körperlose Hand bracht' sie ins Wanken,
    schrieb >Mene, mene< und zerteilte das Königreich ihrer Gedanken
    ALFRED, LORD TENNYSON
    Friedlanders >Hügel< war der steilste Berg, den sie bisher überquert hatten, mit einer weitläufigen weißen Festung auf einem Plateau, das an einen riesigen See im darunterliegenden Tal grenzte. Die mit Zinnen versehenen indischen Türme, die sich über den Nebel hoben, der aus dem See auf-stieg, wirkten fremd in Birma. Bis auf einige Reisfelder waren das Tal und die umgebenden Berge von dichtem Dschungel bedeckt. Eine goldene Zwiebelkuppel, von schlanken Minaretten umstanden, ragte über ein geometrisches Muster von blaugrün reflektierenden Teichen und Miniaturseen in Gärten, die sich zwischen den Gebäuden ausbreiteten.
    »Beeindruckend«, stellte Lysistrata mit widerwilliger Bewunderungfest, »vor allem, weil es mitten im Nichts

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