Rangun
liegt. Ist das dein Werk?«
»Das meines Vaters«, erwiderte Ram kurz.
»Er muß in indische Architektur vernarrt gewesen sein.«
»Er baute Khandahoor für meine Mutter.« Seine oberflächliche Stimme hielt sie von weiteren Fragen ab.
Papa muß wirklich reich gewesen sein, wenn er einen solchen Palast bauen konnte, überlegte sie. Viele Herzogssitze dürften weniger prächtig sein.
Aus der Nähe war Khandahoor noch beeindruckender, wenngleich weniger einladend. Eine riesige Zugbrücke senkte sich über einen Graben, in dem es von Krokodilen wimmelte. Gespitzte Teakstämme reckten sich am Fuße der
Mauer wie Haizähne hoch. Die Wachen auf den Mauern waren keine Inder, wie Lysistrata erwartet hatte, sondern Kachin und Chinesen mit schulterbreiten, gürteltierähnlichen Rüstungen. Khandahoor, das wurde ihr klar, war ohne Rams Erlaubnis ebenso schwer zu verlassen wie zu betreten.
Das Innere war prunkvoll mit reichlichem Schnitzwerk über den Fenstern. Weiße Wände und Teiche mit Springbrunnen waren mit blauen, schwarzen und goldenen Mosaiken gemustert. In einigen befanden sich künstliche Inseln. Schlanke Säulen stützten Balkone in einem Gewirr von Hofgärten, in denen Mimosen, Limonenbäume, Bougainvillea und Jasmin die Luft mit Duft erfüllten. Es war ein Paradies, wenngleich etwas verlassen, wenn man nicht an die Krokodile ringsum dachte. Lysistrata kam zu dem Schluß, daß die Rani von Khandahoor eine wirkliche Dame gewesen sein mußte.
Ram führte sie ins Hauptgebäude, nachdem er Kanaka und Friedlander entlassen hatte. Bei ihrem Gang über kühle, geflieste Korridore und durch üppig mit Orientteppichen ausgelegte und mit wundervollen indischen Möbeln eingerichtete Räume mußte sie daran denken, wie schäbig sie beide aussahen, so schweißbedeckt und von Insektenstichen blutverklebt in ihrer zerlumpten Kleidung. Der Eindruck verstärkte sich, als sie ein langes Gemach betraten, vor dem sich ein Säulenhof mit einem Teich befand. Eine Inderin mittleren Alters in purpurnem und silbernem Sari erwartete sie. Pechschwarze Augen in einem hageren, hakennasigen Gesicht musterten sie kühl. Sie verbeugte sich. »Willkommen, mein Prinz.«
»Lysistrata, dies ist Kalisha. Sie wird dich ins Zenana führen.«
Kalishas Blick fiel auf Lysistratas helles Haar, dann sagte sie etwas verächtlich auf Hindi zu Ram. Obwohl er gelassen antwortete, erstarrte sie und schien dann leicht zurückzuweichen, als fürchte sie sich vor ihm. Sie gab Lysistrata abrupt einen Wink und verließ mit kräftigem Schritt den Raum. Lysistrata, die nach einem Bad und einem richtigen Bett gierte, folgte ihr nach einem schnellen Blick auf Ram, um sich zu vergewissern, daß er nicht die Absicht hatte, sich ihr anzuschließen.
Das Zenana lag im Ostflügel. Beim Anblick der beiden fetten Wächter, die mit Krummschwertern vor der Tür standen, wäre Lysistrata fast in Gelächter ausgebrochen. Über die prächtigen Frauenräume, die das gemeinsame Bad des Zenana umgaben, war sie kaum weniger amüsiert. Die offenen Räume waren zwar verlassen, aber sie fragte sich, wie viele neugierige Augenpaare durch Gucklöcher in den angrenzenden Schlafzimmern spähen mochten. Nachdem sie sich ausgezogen hatte, stieg sie über die goldenen Stufen in den sechseckigen Pool. Während Lysistrata bis zum Kinn in das parfümierte Wasser sank, klatschte Kalisha in die Hände, worauf ein junges birmanisches Mädchen mit Seifen, Salben und weichen Handtüchern kam. Nach dem Bad massierte die Birmanin sie mit Ölen und trug dann heilende Aloensalbe auf Kratzer und Insektenstiche. Kalisha starrte Lysistrata so durchdringend an, daß sie die Frau glatt für Medusa hielt.
Nachdem die Birmanin gegangen war, führte Kalisha Lysistrata in ein kleines Zimmer, das hübsch mit Teppichen und Gazevorhängen dekoriert war und von einem riesigen Bett fast völlig gefüllt wurde. Der Raum war eigentlich fensterlos, da die geschnitzte Balkontür sich nicht öffnen ließ. Man hatte jedoch einen schönen Ausblick auf den Garten. Im Augenblick aber wollte Lysistrata nichts davon sehen, sondern nur schlafen. Kalisha ignorierend, warf sie sich, noch in ihr Handtuch gewickelt, aufs Bett. Sie war fast eingeschlafen, bevor Kalisha den Raum verlassen hatte.
Am nächsten Morgen wurde sie durch das Klopfen der kleinen Birmanin, Too, an die Tür geweckt. »Frühstück warten am Chrysanthementeich auf Sie, meine Lady.« Sie senkte die Wimpern. »Mein Prinz erwartet Sie auch.«
Lysistrata
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