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Rangun

Rangun

Titel: Rangun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Monson
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sie sich an Rams wachsames Schweigen auf dem Weg zum Lager erinnerte. »Von wem redet ihr?«
    »Tiger, Missy«, knurrte Kanaka.
    Sie wünschte, sie hätte nicht gefragt. »Die haben doch Angst vor Feuer, oder?«
    »Manchmal nicht genug«, sagte Friedlander grimmig.
    »Aber warum folgt er uns dann nur? Warum greift er nicht an?«
    »Ich hab' ihm vor drei Jahren eine Kugel verpaßt«, sagte Ram. »Die hat er nicht vergessen.«
    »Ich wußte nicht, daß Tiger so berechnend sein können.«
    »Können sie«, erwiderte Ram, »besonders, wenn sie hassen.« Er erhob sich und nahm die Winchester in die Armbeuge. »Halt das Feuer hoch, Friedlander. Ich bin gleich wieder zurück.«
    Lysistrata war entsetzt. »Du jagst ihn doch nicht nachts!«
    »Wenn ich's nicht tue, verfolgt er uns weiter. Das ist viel gefährlicher.« Er lächelte in ihr weißes Gesicht. »Keine Sorge. Er wird mir folgen. Schlaf etwas.«
    Nachdem er in der Dunkelheit verschwunden war, war ihr kalt. Sie hockte da und kaute gedankenverloren an einem Daumennagel, während sie an Ram dachte, der fast nackt und verletzbar durch den Bambus pirschte, dachte an die tödlich gelben Augen des Tigers, der ihm unbarmherzig folgte. Sie konnte den Tod fast riechen. Ram hätte nicht allein gehen sollen.
    Warum ihn nicht für diesen Fehler bezahlen lassen, ihn für all das bezahlen lassen, was er ihr angetan hatte? Nur, daß er selten Fehler machte. Er hatte seine Kundschafter, seinen
    Schutz, bei ihr gelassen. Warum, wenn nur Haß zwischen ihnen war? Sie ballte die Hand. Da war mehr, konnte immer mehr sein... bis er tot war. Bis sie tot und vergessen war.
    »Ködert man einen Tiger gewöhnlich nicht?« überlegte sie laut.
    »Ja, wenn man einen Köder hat«, sagte Friedlander mürrisch, »und wir haben keinen.«
    Als er aufblickte, war sie fort.
    Da Lysistrata sich nicht statt der Katze eine Kugel einfangen wollte, machte sie sich absichtlich bemerkbar. Aber sie wartete damit, bis sie weit genug vom Lager entfernt war. Friedlander und Kanaka würden ihr kaum folgen. Sie mochten nicht klug sein, aber dumm waren sie nicht. Sie war dumm, machte eine Dummheit nach der anderen. Sie war von Ram wie der Tiger angezogen. Eine Mischung aus Furcht, Haß und Faszination. Oder war die Katze eine Tigerin? Sie konnte ja nicht sicher sein, daß es kein Weibchen war, oder? Würde eine Tigerin ihre Jungen, ihren Gefährten, aus Rache verlassen?
    Der nächtliche Dschungel war voller Stimmen. Der Wind, das Seufzen des Bambus, Schuppen, die sich auf Rinden bewegten, ein Rascheln in den Blättern. Ein trockener, winziger Schrei. Das Sternenlicht war schwach. Ein kurzer Blick auf elfenbeinfarbene Lilien, auf eine Liane. Über den tintenblauen Himmel huschte der Schatten eines Maki.
    Sie spürte die Augen mehr, als daß sie sie sah, düster und schwefelgelb. Sie erstarrte, und ihr Herzschlag erfüllte die Stille. Die grünen, geweiteten Augen senkten sich, die Pupillen schrumpften. Sie hielt den Atem an.
    Die Stille sammelte sich und löste sich in einem seufzenden Rauschen, dann einem Heulen von Wut und Schmerz, als ein Gewehr zweimal dröhnte. Ein schweres Gewicht ließ den Boden erzittern. Lysistrata schwankte und spürte die Kälte wieder. Fingerspitzen berührten ihre Wangen sanft, dann ihre Lippen, und die Dunkelheit verschluckte sie.
    Winselnd schlug Lysistrata um sich. Für einen Moment schien sie wieder das Bewußtsein zu verlieren, dann öffneten sich ihre Augen. Sie sah eine dunkle Gestalt über sich gebeugt und zuckte entsetzt zusammen. Ram drückte sie zart zu Boden. »Warum?« murmelte er. »Wolltest du sterben?«
    »Ich verdanke dir mein Leben«, keuchte sie benommen. »Ich wollte nicht in deiner Schuld stehen.« Ein anderer Grund war in der Tiefe ihrer Seele verborgen, aber sie wehrte sich dagegen, ihn in ihren Verstand dringen zu lassen.
    Ram bemerkte die Unsicherheit ihrer Stimme. Asiaten drückten das anders aus, aber wie jemand, der aus Gründen der Ehre Selbstmord begehen will, hatte sie kurz die Ewigkeit berührt. Sie hatte einen weiteren unumkehrbaren Schritt von ihrer Welt in die seine getan. Er konnte sie nicht nur Einsamkeit und seltsame Echos finden lassen.
    »Heute nacht sind wir quitt.« Seine Finger streiften zart ihre Wangen. Er bewegte sich sicher, wußte, daß sie sich nicht wehren würde, da sie gerade dem Tod entronnen war.
    Wie im Traum hörte Lysistrata seinen Lendenschurz zu Boden gleiten, spürte kalte Luft auf ihrer Haut, als er ihre Kleider öffnete. Sie

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