rank und schlank und rattenscharf
Bier und setze mich auf einen der Plastikstühle. Es geht mir sofort besser und trinke anschließend noch ein kleines Bier. Das muss ich jetzt erst einmal Willi mitteilen, wie gut es mir geht. Außerdem soll ich ihm Grüße von Anne ausrichten, sie hat seine Karte aus Astorga bekommen und sich sehr gefreut.
Zum Karten schreiben kommt er also auch noch. Ich denke, er läuft jeden Tag doppelt so weit wie ich, und dann hat er noch Zeit, Karten zu schreiben? Das verstehe ich nicht. Mir steht nicht der Sinn danach, irgendjemandem meinen Zustand auf einer Postkarte mitzuteilen. Ich schreibe eine SMS an Willi:
Mir geht es gut, habe gerade mein zweites Bier auf und schöne Grüße von Anne.
Willi antwortet: Es regnet, es ist aber nicht so schlimm und viele Dinge haben sich für mich schon geklärt.
Ich schreibe noch mal zurück: Das freut mich für Dich. Ich habe meine tierärztliche Ausbildung bald abgeschlossen. Kira hat sie überlebt.
Jeden Tag hat sie was Neues oder das Alte ist noch nicht verheilt. Den Rest des Tages verbringe ich mit Wäsche waschen. Später meldet sich Willi ein weiteres Mal:
Ich bin drei Kilometer vor der Stadt und gehe dann auch ein Bier trinken.
Ich sehe auf meiner Karte, die nicht mehr ganz funktionstüchtig ist, dass Willi ungefähr 110 km vor Santiago de Compostela sein muss. Bis er da angekommen ist, habe ich den hohen Pass, der bald kommt, auch geschafft. Ich hatte vor, mir diese Strapazen zu ersparen und noch einmal ein Stück mit dem Taxi zu fahren.
Willi hat mir in einer SMS mitgeteilt, dass er diesen Weg langsam hasst. Mir geht es oft genauso. Er geht oft stundenlang nur an Straßen entlang und selbst nachts schlafe ich in der Nähe von Landstraßen oder Autobahnen. Ich hoffe, es wird noch mal anders!
Heute nehme ich Kira auf dem Campingplatz mit zum Essen. Ich stelle mir einen Tisch und einen Stuhl in die Abendsonne. Es ist wunderbar, im kurzärmeligen Hemd in der Wärme der gleich untergehenden Sonne zu sitzen. Ein Blick auf die Speisekarte sagt mir, dass ich gleich zwei Gerichte bestellen sollte, um das Essen mit Kira teilen zu können. Ich bestelle erst einmal eine Flasche Rioja-Wein und sage dem Mann bei meiner Bestellung, dass er zwischen den beiden Gerichten eine Viertelstunde warten soll. Es ist noch Zeit genug, um Anne anzurufen. Ich sage ihr, dass ich wieder auf einem Campingplatz bin und Willi ungefähr 110 km vor Santiago ist. — „Burghard, was machst Du, wenn er dort angekommen ist? Dann kommst Du ja gar nicht mehr nach Santiago.“ — „Wie es aussieht nicht.“ — „Was machst Du dann?“ — „Ich weiß es nicht. Ich muss dort nicht ankommen!“ — „Das ist aber schade.“ — „Für mich nicht! Wir werden sehen wie es weitergeht. Anne, ich muss jetzt auflegen, da kommt mein Essen. — Anne, er hat es nicht verstanden.“ — „Was?“ — „Ich habe mir zwei Hauptgerichte bestellt. Er sollte zwischen beiden Gerichten eine Viertelstunde warten. Jetzt bringt er beide.“ — „Warum bestellst Du denn auch gleich zwei Essen? Du kannst doch erst mal eins essen.“ — „Anne, ich habe Kohldampf und ich teile das Essen mit Kira.“ — „Wie, Du teilst Dir das Essen mit Kira? Kriegt der Hund denn kein Hundefutter?“ — „Bis jetzt noch nicht.“ — „Der Hund kann doch Hundefutter fressen!“ — „Du kannst es Dir nicht vorstellen, wie ich einkaufe! Ich habe da keine Zeit, nach Hundefutter zu suchen. Es ist äußerst schwierig mit dem Hund. Ich habe gedacht, der Mann hat es begriffen. Leider nicht, also muss ich etwas schneller essen, sonst wird’s kalt. Ich lege auf.“ — Die Frau bringt einen Plastikteller für Kira und so teilen wir uns zuerst das Beefsteak, anschließend die Wurst und Pommes. Ich trinke noch einen Kaffee und esse ein Stück Kuchen.
Die Wäsche ist über Nacht getrocknet, die Akkus sind geladen. Ich packe meine Sachen, jeden Tag die gleichen Handgriffe: Zelt auf- und abbauen, packen, Schlafsack und Isomatten einrollen, verstauen, es geht schon wie im Schlaf, jeder Handgriff sitzt. Jedes mal zähle ich die Heringe, bevor ich sie in den Beutel stecke. Mir darf keiner verloren gehen, sonst weiß ich nicht, wie ich die Zelthaut spannen kann.
Heute Morgen sitze ich am selben Tisch wie gestern Abend und trinke einen Kaffee Amerikano. Diesmal scheint mir die Sonne, die gerade im Osten aufgegangen ist, auf den Rücken. Ein Ehepaar, das gestern nach mir ankam, hat auch bereits alles gepackt und
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