Rankin, Ian - Rebus - 06 - Blutschuld
Taube auf, bevor sie sich wieder auf einem der Eisenträger niederließ, die das Wellblechdach stützten. Sie hatte auf der Windschutzscheibe des Lkws mehr als eine Visitenkarte zurückgelassen.
»Das soll Glück bringen«, meinte Rebus. Nicht dass der Sattelschlepper – ein Ford mit britischem Kennzeichen, höchstens vor einem Jahr zugelassen – überhaupt besonders sauber gewesen wäre. Er war mit hellen, eingetrockneten Schlammspritzern und Staub bedeckt. Die Fahrertür ging auf, und ein großer, kräftiger Mann wuchtete sich heraus.
Er hatte keinen Schnurrbart wie sein Bruder und war wohl ein, zwei Jahre jünger. Aber er lächelte nicht, und als er sprach, klang seine Stimme hoch und gequetscht.
»Sie müssen Rebus sein.«
Sie gaben sich die Hand. Das Reden besorgte Kilpatrick. »Wir haben den Laster vor zwei Monaten beschlagnahmt –
beziehungsweise Scotland Yard hat. Sie haben ihn uns dann freundlicherweise geliehen.«
Rebus stemmte sich auf das Trittbrett und spähte durch das Seitenfenster. Hinter dem Fahrersitz hingen ein Aktkalender und ein Ausklappbild mit Eselsohren. In der Koje dahinter lag ein ordentlich zusammengerollter Schlafsack. Die Fahrerkabine war geräumiger als einige der Wohnwagen, in denen Rebus seinen Urlaub verbracht hatte. Er kletterte wieder hinunter.
»Wozu?«
Vom Heck des Lasters ertönte ein Gerassel. Calumn Smylie war dabei, die Tür zum Laderaum aufzumachen. Bis Rebus und Kilpatrick nach hinten gegangen waren, hatten die zwei Smylies beide Türflügel weit geöffnet und standen vor einer Reihe von Holzkisten.
»Wir haben uns ein paar Freiheiten herausgenommen«, sagte Kilpatrick und stemmte sich, gefolgt von Rebus, gleichfalls hinauf. »Das Zeug war ursprünglich unter dem Fußboden versteckt.«
»Falsche Treibstofftanks«, erklärte Ken Smylie. »Und zwar gute, geschweißt und vernietet.«
»Die Leute vom Yard haben die von hier aus aufgeschnitten.« Kilpatrick stampfte mit dem Fuß auf. »Und drinnen haben sie genau das gefunden, was ihnen ihr Informant versprochen hatte.«
Calumn Smylie hob den Deckel einer Kiste, so dass Rebus einen Blick hineinwerfen konnte. Drinnen lagen, in ölgetränkte Tücher gewickelt, vielleicht anderthalb Dutzend Sturmgewehre, Typ AK 47. Rebus zog eins davon an der eingeklappten Metallschulterstütze heraus. Er konnte mit einem solchen Gewehr umgehen, auch wenn er es nicht gern tat. Gewehre waren seit seinen Armyzeiten leichter und auch tödlicher geworden, aber keinen Deut angenehmer zu handhaben. Der hölzerne Handschutz war so kalt wie der Griff eines Sargs.
»Wir wissen nicht genau, wo sie herkamen«, erklärte Kilpatrick. »Und nicht einmal, wo sie hinsollten. Der Fahrer wollte kein Wort sagen, egal, wie massiv ihm die Antiterrortruppe gekommen ist. Er bestritt, von der Ladung etwas gewusst zu haben, und war nicht bereit, wen auch immer zu belasten.«
Rebus legte das Gewehr in die Kiste zurück. Calumn Smylie beugte sich vor und wischte etwaige Fingerabdrücke mit einem Lappen ab.
»Was hat das also gebracht?«, fragte Rebus. Calumn Smylie gab ihm die Antwort.
»Als der Fahrer aus dem Verkehr gezogen wurde, fand man in seiner Tasche ein paar Telefonnummern, zwei aus Glasgow, eine aus Edinburgh. Alle drei waren Bars.«
»Braucht nichts zu bedeuten«, sagte Rebus.
»Kann aber«, kommentierte Ken Smylie.
»Könnte ja sein«, fügte Calumn hinzu, »dass diese Bars seine Kontakte sind, vielleicht seine Auftraggeber, oder aber die Leute, die seine Auftraggeber beliefern.«
»Also«, sagte Kilpatrick und lehnte sich an eine der Kisten, »observieren wir alle drei Pubs.«
»In der Hoffnung, dass?«
Jetzt war wieder Calumn dran. »Als die Leute vom Special Branch den Laster gestoppt haben, ist es ihnen gelungen, keinen Staub aufzuwirbeln. Die Sache ist nie an die Presse gelangt, und den Fahrer hat man gemäß Antiterrorgesetz und wegen ein paar minder schwerer Straftaten eingebuchtet.«
Rebus nickte. »So dass seine Auftraggeber – oder wer auch immer – nicht wissen, was passiert ist?« Auch Calumn nickte. »Und sie vielleicht ein bisschen zappelig werden?« Jetzt schüttelte Rebus den Kopf. »Sie könnten im Zirkus als Kunstschütze auftreten.«
Calumn runzelte die Stirn. »Warum?«
»Weil das ein Schuss ins Blaue ist, wie ich noch nie einen gesehen habe.«
Das schienen die zwei Smylies eher ungern zu hören. »Ich habe schon ein Gespräch aufgeschnappt, in dem vom ›Shield‹ die Rede war«, sagte Calumn.
»Aber Sie haben
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