Raphael
noch kein Wort gesagt.“
„Arschloch. Wie wäre es damit?“, zische ich wütend, was Raphael ein Grinsen entlockt, während Setjan lacht.
„Mit dem Jungen hast du dir was ins Haus geholt“, sagt er dann und klingt außerordentlich amüsiert. „Nun, du wirst schon klarkommen. Melde dich, wenn du Hilfe brauchst. Und, Caine? Wenn du lange genug überlebst, wirst du eines Tages begreifen, warum Raphael gestern Nacht nicht anders handeln konnte.“
„Pfft“, mache ich, in Ermangelung einer vernünftigen Antwort, und verschränke beleidigt die Arme vor meiner Brust.
Es klingelt an der Tür. Raphael seufzt und beendet das Gespräch, bevor er an mir vorbeigeht, um zu öffnen. Drei Vampire in Anzügen stehen im Gang und begrüßen ihn mit einem respektvollem Neigen ihrer Köpfe. Danach fallen ihre Blicke auf mich und einer räuspert sich leise. Kinder sind vom Gespräch offensichtlich ausgeschlossen. Soll mir egal sein. Schulterzuckend verschwinde ich ins Wohnzimmer und werfe die Tür hinter mir zu.
Es dauert eine Weile, bis Raphael ins Wohnzimmer zurückkommt und mir einen finsteren Blick zuwirft, um dann die Hände in die Seite zu stemmen. „Wie ich es dir vorausgesagt habe. Dein Sterblicher macht Ärger, selbst nach seinem Tod.“
„Chris war mein Bruder.“
Raphael verdreht genervt die Augen. „Der uns in den Tod gerissen hätte, du dummer Junge. Vampire dulden keine Sterblichen unter Ihresgleichen und wehe dem, der einen in seinem Haus unterbringt. Chris musste sofort von hier verschwinden, nachdem dieser Anruf kam, weil wir sonst mit ihm gestorben wären. Und ich stelle keinen Menschen über mein oder dein Leben. Egal wer er ist.“
Na wunderbar. Und wozu dann die ganze Streiterei mit Setjan? Was sollte das letzte Nacht werden? Wenn Raphael Chris ohnehin getötet hätte, warum haben er und Setjan meinen Bruder nicht gleich außer Gefecht gesetzt und die Gelegenheit genutzt, um den 'Zeugen' zu entsorgen? Wieso hat Raphael mir Hoffnungen gemacht, die er ohnehin nicht zu erfüllen gedachte?
„Ich habe dir keinerlei Hoffnungen gemacht“, zischt Raphael, nun ernsthaft sauer. „Das warst du ganz allein. Du mit deinen albernen Gefühlen. Blutsverwandtschaft hin oder her, er war ein Problem und Probleme werden aus der Welt geschafft.“
Ich sollte aufhören, laut zu denken. Trotzdem juckt es mich mächtig in den Fingern, ihn zu schlagen, aber da Raphael mich dafür eiskalt umbringen würde, entscheide ich mich für einen verbalen Angriff. „'Wir holen niemals zwei aus derselben Sippe zu uns, Raphael, genauso wenig töten wir die Sippenmitglieder, wenn es einen Jüngling gibt, der mit dem Herz an ihnen hängt.'“, wiederhole ich Setjans gestrige Worte und erhebe mich von der Couch, auf der ich gesessen habe. „Ich habe sehr wohl an Chris gehangen. Also? Was fällt dir dazu ein?“
Raphael verschränkt die Arme vor der Brust und sieht mich völlig ruhig an. „Du hast dich für mich entschieden, Caine, oder habe ich letzte Nacht möglicherweise etwas missverstanden?“
Nach den Worten starre ich Raphael fassungslos an. Er kann so ekelhaft sein in seiner Gleichgültigkeit. Doch das Schlimmste daran ist, er hat recht. Trotz allem, was passiert ist, bin ich immer noch bei ihm. Ich habe mich gegen Chris und für Raphael, entschieden. Wieso? Weil ich leben will. Was ist nur aus mir geworden? Werde ich eines Tages genauso abgestumpft sein wie Raphael? Wie kann er einfach zur Tagesordnung übergeben, nachdem, was hier passiert ist? Berührt es ihn gar nicht? Nein, tut es nicht, denn er ist so gefühllos wie ein toter Fisch, gebe ich mir selbst eine Antwort, als ich Raphael schweigend zusehe, wie er in Richtung Schlafzimmer geht.
Und plötzlich wird mir etwas bewusst, das dermaßen erschreckend ist, dass ich mich auf den Boden sinken lasse, weil meine Beine mich nicht länger tragen wollen. Ich habe den gleichen Weg vor mir. Eines Tages werde ich genauso sein wie Raphael. Gestern Nacht habe ich bereits einen verdammt großen Schritt in seine Richtung getan. Aber das will ich nicht. Ich möchte 'Ich' bleiben, mit meinen Launen und Macken, und den menschlichen Gefühlen. Ich will nicht so werden, wie das Monster aus der U-Bahn, das ohne zu zögern sieben Menschen tötete.
„Hör endlich auf, dich wie ein geprügelter Hund zu benehmen, Caine!“ Raphaels harsche Stimme lässt mich wenig später heftig zusammenzucken. „Er oder wir, eine andere Alternative gab es nicht.“
Ich sehe zu ihm auf, als er
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