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Raphael

Raphael

Titel: Raphael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mathilda Grace
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Nachttisch unterbringt seinen Vortrag. Raphael knurrt, wütend über die Störung, steht aber trotzdem auf, um das Gespräch entgegen zu nehmen. „Was? … Scheiße! ... Woher weiß er das? ... Verdammt!“ Raphael legt auf und starrt mich finster an.
    „Was ist denn?“, frage ich beunruhigt und stehe auf.
    „Dein Mensch verschwindet. Und zwar sofort!“
     
     

 
     
    3
     
     
    Raphaels kalte Antwort lässt mir die Haare zu Berge stehen. Ich schüttle den Kopf. Es ist die einzige Reaktion, zu der ich im dem Moment fähig bin. Das kann er nicht ernst meinen. Es ist mein Bruder, von dem er da redet. Chris lebt, atmet und er fühlt. Das kann doch nur ein Scherz sein. Aber Raphaels Blick ist eindeutig. Er scherzt nicht, im Gegenteil.
    „Nein.“ Ich erkenne meine Stimme kaum wieder. „Tu das nicht, bitte ...“, flehe ich ihn an, obwohl ich es besser weiß. „Er ist mein Bruder. Das kannst du nicht machen.“
    Seine Antwort ist ein diabolisches Grinsen. Er kann und er wird. Es gibt nichts, was ich dagegen tun könnte, und das weiß Raphael, als er leise und abwertend lacht. Manchmal ärgert oder neckt er mich damit, dass ich so jung und ihm völlig unterlegen bin, aber dieses Mal ist es beleidigend gemeint und das bringt das Fass in mir zum Überlaufen.
    „Du widerwärtiges Dreckschwein!“
    Die Worte stehen im Raum, noch bevor mir bewusst wird, was ich gerade gesagt habe. Das war ein Fehler. Ich habe nicht die Zeit, mich bei ihm dafür zu entschuldigen, ich komme nicht mal zu einem fassungslosen Blick, als Raphael sich in Bewegung setzt. Im nächsten Augenblick finde ich mich mit meinen Füßen in der Luft baumelnd, seine Hand fest an meiner Kehle, mit dem Rücken an die Wand gepresst wieder. Ich kann Raphaels Blick nicht mit Worten beschreiben. Es ist derselbe, den er in der U-Bahn aufsetzte, kurz bevor er auf die anderen Menschen und mich losging. Und das Gefühl in meiner Brust ist mit dem vergleichbar, als ich damals begriff, dass Raphael keiner von diesen romantischen Vampiren aus meinen Träumen ist, sondern ein tödlicher Killer.
    „Caine, ich warne dich zum allerletzten Mal. Vergiss niemals, wo dein Platz ist. Du wirst dich entscheiden. Jetzt! Willst du weiterleben, mit mir, oder sterben, wie dein Mensch es gleich tun wird?“
    Großer Gott. Er klingt, wie der nette Großvater von nebenan, der seinem Enkelkind geduldig etwas erklärt. Mir wird eiskalt. Ich weiß, dass er eine Antwort erwartet, aber ich bekomme weder die Lippen auseinander noch bin ich in der Lage einen Ton hervorzubringen. Das kann er nicht verlangen.
    „Oh doch, das kann und werde ich“, flüstert Raphael bösartig und lässt mich runter, bis meine Füße wieder den Boden berühren. Dann löst er seinen Griff um meine Kehle. „Entscheide dich, Caine.“
    „Fahr zur Hölle!“
    Raphael grinst. „Da war ich schon. Die wollte mich nicht haben. Ich warte, Caine.“
    Wenn ich könnte, ich würde ihn umbringen. Nein, würde ich nicht. Warum nicht? Weil ich an diesem neuen Leben hänge, das er mir seit acht Wochen bietet. Ich hatte in der U-Bahn die Wahl und ich habe einen Platz an Raphaels Seite gewählt, genauso wie ich ihn jetzt wählen werde. Scheiße, warum kann ich mich nicht ein einziges Mal selbst belügen?
    „Ich will leben.“
    Raphael nickt selbstzufrieden. „Gut, dann wirst du auch leben.“
    Sein Blick verändert sich und einen Augenblick habe ich den Eindruck, dass da doch so etwas wie Gefühle in ihm sind. Der Moment vergeht genauso so schnell wie er gekommen ist, dann ist Raphael wieder ganz der Alte.
    „Hab' ruhig Angst vor mir, Caine. Nur die hält dich am Leben. Und jetzt geh' mir aus den Augen. Ich habe etwas zu erledigen.“
    Nach den Worten verlässt er sein Zimmer und kurz darauf höre ich Chris' Schrei. Langgezogen, entsetzt und laut. Ich halte mir die Ohren zu, verschließe mich davor und taumle in den Flur. Wie ich es bis ins Wohnzimmer schaffe, ohne zusammenzubrechen, weiß ich nicht, aber irgendwann finde ich mich auf der Couch wieder, am ganzen Körper zitternd. Todesangst nennt man das und ich fühle sie nicht zum ersten Mal.
     
    Sein Griff ist wie ein sich langsam immer enger um meine Kehle ziehender Schraubstock, als er sich über mir aufbaut, mich brutal auf die blutbesudelte Sitzbank zurück presst, von der ich eben flüchten wollte, und mir ein Lächeln schenkt, das durch seinen blutigen Mund einfach grotesk ist. Das kann doch nur ein furchtbarer Albtraum sein. Ich sitze unmöglich im Waggon

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