Raphael
Smaragde. Begehrlich leuchtende Smaragde. Eindeutig. Bin ich jetzt bescheuert? Seit wann vergleiche ich Augen mit einem Edelstein? So gut sieht er nun auch wieder nicht aus. Doch, das tut er. Ganz besonders, als er sich betont langsam durch die Haare fährt und dabei auf uns zukommt, um sich mir gegenüber auf einem freien Sitzplatz niederzulassen. Er streckt seine langen Beine lässig aus, die in schwarzen Hosen stecken. Alles an ihm ist edel und teuer, er trägt eindeutig Markenware. Ich erkenne das, ich verkaufe schließlich Herrenbekleidung, und die ist bei uns im Laden nicht ganz billig.
Die Schuhe passen aber nicht ins Bild. Wieso trägt ein Kerl wie er obenherum so edlen Zwirn, aber an den Füßen dreckige Army Boots? Merkwürdig.
Die junge Punkerin links von mir stöhnt leise auf, als er den Kopf in den Nacken legt und die Augen schließt. Ich kann sie verstehen, denn mir geht es nicht anders. Shit, ich bin wirklich von einem Mann fasziniert. Aber dieser Typ hat eine Ausstrahlung, der sich keiner von uns entziehen kann.
Es macht es sich gemütlich, rutscht mit der Hüfte ein Stück vor und rollt seine Schultern, so als würde er eine bessere Position suchen. Dabei klafft sein Mantel etwas auf und gibt den Blick auf ein schwarzes Hemd frei, bei dem die oberen drei Knöpfe nicht geschlossen sind, und als der Kunststudent neben ihm hörbar schluckt, dreht er langsam den Kopf zur Seite und lächelt ihn an. Aber wie. Sein Blick ist die pure Anmache. Ganz nach dem Motto, 'Los, trau dich und nimm mich'. Mir läuft es heiß und kalt den Rücken herunter.
Verdammt, ist der Kerl heiß. Und offenbar hat er vor seinem Auftritt hier in einem Aphrodisiakum gebadet, denn selbst das Pärchen neben mir, frisch verheiratet, starrt ihn an. Was hat dieser Typ an sich, dass wir alle derart hemmungslos auf ihn abfahren? Ich meine, bis eben war ich der festen Überzeugung hetero zu sein und jetzt stehe ich kurz davor einen Mann anzusabbern, der einen halben Kopf kleiner ist als ich, aber die schönsten Augen hat, die ich je gesehen habe.
Ob er uns irgendwie hypnotisiert hat? Ach, Unsinn. Er wird einfach nur ein ... ein ... keine Ahnung, aber irgendwas wird er schon sein. Schauspieler? Das würde zu seinem Aufzug passen. Vermutlich probt er eine Rolle als Verführer und wir sind die Versuchskaninchen. Falls es so ist, hat er einen Oscar verdient, soviel steht fest. Plötzlich lacht er leise und wendet seinen Blick von dem Kunststudenten ab, um mich anzusehen.
Was, zum Kuckuck ...?
„ Sind die echt?“, platzt ohne nachzudenken aus mir heraus, als mein Blick auf seine spitzen Eckzähne fällt, und im nächsten Moment fängt das ganze Abteil an zu lachen.
Ich stöhne entsetzt auf. So eine dumme Frage kann auch nur von mir kommen. Vampire und ich, ein ewig währender Traum. Ich bin seit meiner Kindheit total verrückt nach Fantasiegestalten wie Werwölfe, Elfen oder Vampire und er hat die Ausstrahlung, die ich mir bei solchen Wesen immer erträumt habe.
„ Ja, sind sie.“
Das Lachen verstummt abrupt, als seine Antwort bei mir und den anderen ankommt. Wir tauschen ratlose, amüsierte und zum Teil auch zögernde Blicke. Will er uns verarschen oder was soll das werden? Der Typ ist kein Vampir, das ist Quatsch. Es gibt keine Vampire – leider. Aber okay, so eine Aussage muss man sich erst mal trauen. Mutig ist er und ich bin fasziniert von ihm, das gebe ich zu. Da kann er meinetwegen eine Macke haben, er hat damit erreicht, was er vermutlich wollte – nämlich, dass unsere gesamte Aufmerksamkeit auf ihn gerichtet ist.
Trotzdem. Es gibt keine Vampire, und bestimmt holt er gleich sein Gebiss heraus und lacht uns aus. Meine Theorie vom Schauspieler fällt mir wieder ein. Vielleicht arbeitet er beim Theater. Läuft da im Augenblick nicht etwas in der Richtung. 'Tanz der Vampire' oder so?
„ Erzähl keinen Quatsch.“ Der Afrikaner grinst ihn an und fläzt sich in seinen Sitz. „Als Nächstes behauptest du noch, ein Vampir zu sein.“
Irgendwie habe ich plötzlich ein ganz merkwürdiges Gefühl in der Magengegend. Da ist etwas an diesem Mann. Etwas Dunkles. Wie eine Warnung. Die Art, wie sich sein Blick auf einmal völlig verändert, während er mich weiter ansieht, gefällt mir nicht. Er will etwas von mir, da bin ich mir sicher. Er lacht, als ich seinem Blick ausweiche, und meine daraufhin einsetzende Gänsehaut wundert mich nicht im Mindesten, denn langsam aber sicher bekomme ich Angst vor ihm.
„ Ich muss
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