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Raphael

Raphael

Titel: Raphael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mathilda Grace
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gar nicht vorhanden, bevor er die Treppe nimmt.
    So habe ich meinen älteren Bruder in Erinnerung. Zielstrebig, stur, unnachgiebig, mit einem festem Willen und, wie gesagt, grundsolide. Ich will mir gar mir nicht ausmalen, was es für ihn bedeuten muss hier zu sein.
    Er taucht auf der Empore auf und mein Entsetzen wächst. Was, zum Teufel, macht er hier? Chris ist einen Kopf größer als ich, deswegen muss ich zu ihm aufsehen, als er bei uns ankommt und mich fassungslos ansieht. Er hat blaue Augen, sie sehen aus wie meine eigenen, nur wirken seine unglaublich müde und traurig, was durch die vielen Falten noch verstärkt wird, die sich tief in sein Gesicht eingegraben haben. Ich kann nichts sagen. Mein Zunge klebt irgendwie am Gaumen fest, deshalb sehe ich ihn nur an, was offenbar ausschlaggebend ist, denn sein erstaunter Blick wird ersetzt durch einen wütenden.
    „Du kleines Arschloch.“
    Ich weiß nicht, was schlimmer ist. Dass Chris solche Worte in den Mund nimmt oder dass er sie ernst meint, denn das tut er.
    „Caine?“
    Raphaels Stimme ist eine einzige Warnung, die mein Bruder versteht, seinem kurzen, intensiven Blick über meinen Kopf hinweg nach zu urteilen, doch er rückt kein Stück zurück, dazu ist er viel zu verärgert. Ich kann ihn verstehen, aber wir haben bereits neugierige Zuschauer und das ist nie etwas Gutes. Nicht für Vampire wie uns, die möglichst unerkannt bleiben wollen.
    „Nicht hier“, geht Setjan ruhig dazwischen, bevor die Situation außer Kontrolle geraten kann. „Was immer ihr zu klären habt, dieser Ort ist dafür nicht der Richtige.“
    Setjan hat recht. Mein Problem ist nur, dass Raphael Chris als Zeugen betrachten und umbringen wird, sobald er eine Gelegenheit dazu hat, was in der Dunkelheit auf der Straße der Fall sein wird. Normalerweise wäre mir das egal, wir können uns einfach keine Zeugen erlauben, aber in dem Fall kommt das für mich nicht infrage. Ich kann nicht schweigend danebenstehen und zusehen, wie mein Bruder ermordet wird. So kalt bin ich dann doch nicht, Vampir hin oder her.
    „Es gibt nichts zu klären.“
    Verblüfftes Schweigen von allen Seiten ist die erste Reaktion auf meine harschen Worte. Raphael erholt sich am schnellsten von seinem Erstaunen und knurrt mich an. Er ist stinksauer und ich kann es ihm nicht verübeln. Aber Chris ist unschuldig, so wie ich es vor zwei Monaten war. Ich kann doch nicht zulassen, dass ihm das gleiche Schicksal widerfährt, wie dem alten Mann vorhin, und er als Leiche in einem Abwasserkanal endet.
    „Er wird nicht angerührt.“
    Damit hat Raphael eindeutig nicht gerechnet. „Wie bitte?“, fragt er und seine kalte Stimme macht mir Angst.
    Sich mit jemandem zu streiten, der fünfhundert Jahre älter ist als man selbst, bedeutend stärker obendrein und der immerzu das letzte Wort haben muss, ist in meinen Augen genauso sinnlos, wie mit dem Kopf gegen eine Mauer zu schlagen. Wortgefechte gegen Raphael gewinnt man ebenso wenig wie einen Zweikampf und darauf wird es hinauslaufen, wenn mir nicht schnell etwas einfällt. Aber Chris ist das Risiko einer Abreibung wert und die werde ich kriegen, ganz gleich wie dieser Abend ausgeht.
    Ich sehe Raphael an und muss mich beherrschen, um vor der Wut in seinen Augen nicht zurückzuweichen. „Du hast mich verstanden.“
    „Spinnst du?“, zischt Setjan, bevor Raphael reagieren kann, und packt mich an der Schulter, um mich zu sich zu drehen. Ein Blick in mein Gesicht lässt ihn stutzen, danach schaut er zu Chris, wieder zu mir und stöhnt im Anschluss daran laut auf. „Das gibt es doch nicht. Dein Bruder? Scheiße, Caine, das soll wohl ein Witz sein.“
     
     

 
     
    2
     
     
    „Du kannst ihn nicht töten, Raphael.“
    „Ach ja? Wer könnte mich daran hindern? Caine oder sein schwacher, sterblicher Bruder?“
    Setjan stöhnt genervt auf. „Ich, du sturer, ignoranter Angeber. Wenn du ihn aus dem Weg schaffst, riskierst du den Verlust deines Jungen, das muss dir klar sein. Willst du das?“
    „Soll ich ihn etwa verwandeln?“, hält Raphael finster dagegen. „Da kann ich sie gleich beide umlegen.“
    Ich sehe zu Chris, der bewusstlos zwischen ihnen auf der Couch liegt. Setjan hat ihn eine Seitengasse neben dem Club außer Gefecht gesetzt und hierher getragen. Was er genau gemacht hat, weiß ich nicht, das ist wieder so ein geheimes Vampirding, von dem ich keine Ahnung habe. Chris bekommt jedenfalls nicht mit, was um ihn herum gerade abläuft, und das ist auch besser so, denn

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