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Raphael

Raphael

Titel: Raphael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mathilda Grace
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Setjan und Raphael streiten, seit die Wohnungstür hinter uns ins Schloss fiel.
    Die Wohnung gehört Raphael und seit ich ein Vampir bin, übernachte ich in seinem Gästezimmer. Das ist so üblich bei Vampiren, wenn sie einen Menschen wandeln, zumindest so lange, bis derjenige alleine zurechtkommt. Wann das bei mir der Fall sein wird, ist fraglich. Und seit eben leider auch ziemlich unwahrscheinlich. Raphael hat schon einmal einen seiner Gewandelten getötet, er kennt keine Skrupel, wenn es darum geht, seine eigene Haut zu retten, die Chris und ich im Moment gefährden.
    Deswegen bin ich gleich nach unserem Eintreffen in der Küche verschwunden, um Abstand zwischen Raphael und mich zu bringen. Nicht dass es etwas bringen würde, wenn Setjan diesen Streit verliert, aber im Augenblick ist es mir lieber, ihm nicht direkt unter den Augen zu sitzen. Raphael hat eine typisch amerikanische Küche, mit einer offenen Sitzecke zum Wohnzimmer hin, die mir einen perfekten Blick auf die beiden verschafft. Wohl fühle ich mich dabei allerdings nicht.
    „Wir holen niemals zwei aus derselben Sippe zu uns, Raphael, genauso wenig töten wir die Sippenmitglieder, wenn es einen Jüngling gibt, der mit dem Herz an ihnen hängt. Das bringt nur Ärger. Wenn einer das weiß, dann du“, erklärt Setjan verärgert. „Außerdem, Menschen sind zwar sterblich, aber nicht vollkommen dämlich. Es wird auffallen, wenn zwei Sterbliche einer Familie urplötzlich als vermisst gelten. Wir müssen uns für Caines Bruder etwas anderes einfallen lassen.“
    Raphael zuckt lässig mit den Schultern. Er wird sich nicht umstimmen lassen, ich kenne diesen abwehrenden Gesichtsausdruck an ihm und weiß, dass es besser ist, jetzt vorsichtig zu sein. Mein Blick wandert langsam zu Setjan, aber Raphael ist schneller.
    „Treib es nicht zu weit, Kleiner.“
    Dass er mich 'Kleiner' nennt ist nicht gut. Ganz und gar nicht. Wie war das mit dem 'Er war noch nie wirklich böse auf mich.' Tja, gerade beweist er das Gegenteil und mir läuft eine Gänsehaut über den Rücken. Raphael ist nämlich mehr als nur sauer auf mich, er ist stinkwütend. Ich schätze, die angedrohte Tracht Prügel wird härter ausfallen, als beim letzten Mal, wo ich mich gegen ihn auflehnte, weil ich eine alte Frau nicht umbringen wollte, die er als Jagdopfer auserkoren hatte. So wie eben hat er mich seit dem U-Bahn Überfall nicht mehr angesehen.
    Daran erinnere ich mich gar nicht gerne. Was für eine Nacht. Der pure Horrorfilm, der da vor meinem inneren Auge ablief, denn als er mich aus dem Waggon getrieben hatte, konnte ich nicht einmal mehr die Hand vor Augen sehen, so finster war es.
    Manche Erinnerungen sind für die Ewigkeit gedacht, andere schiebt man besser weit von sich. Sehr weit.
     
    Wohin soll ich laufen? Rechts, links oder geradeaus, in der Hoffnung nicht irgendwann gegen eine Mauer zu donnern? Wenn man nicht einmal die eigene Hand vor den Augen sehen kann, ist die Frage nach der richtigen Fluchtrichtung genauso unsinnig, wie die irrsinnige Hoffnung, lebend aus diesem Tunnel herauszukommen. Aber ich muss es wenigstens versuchen.
    „Ich sehe dich, Kleiner.“
    Ein leises Kichern folgt seinen Worten und lässt mich zusammenzucken. Er hat bereits bewiesen, dass er auch in völliger Dunkelheit sehen kann, was die Situation für mich noch schlimmer macht. Ich habe keinen Vorteil. Ich bin ihm völlig ausgeliefert und dieses verdammte Monster spielt mit einer Ausdauer und Faszination mit mir, die ich einfach nicht begreifen kann.
    „ Warum tust du das?“  
    Ich habe ihn das in den vergangenen Stunden schon mehrmals gefragt und immer die gleiche und grausame Antwort bekommen. Und ich höre sie auch dieses Mal.
    „ Weil ich es kann.“  
    Es gelingt mir schon lange nicht mehr, meine Panik vor ihm unter Kontrolle zu halten. Ich habe Todesangst und er weiß das. Er kann es riechen, hat er mir gesagt. Es gibt hier unten keinen Ausweg, keine Chance ihm zu entkommen, das hat er in der U-Bahn eindrucksvoll bewiesen. So eindrucksvoll, dass ich den Anblick der Toten im Waggon niemals vergessen werde. Er hat sie eiskalt abgeschlachtet. Direkt vor meinen Augen. Sieben Menschen, die sich lachend über den gerade gemeinsam angesehenen Kinofilm unterhalten haben und mit der gleichen Bahn wie ich auf dem Heimweg waren. Jetzt sind sie tot, liegen mit aufgerissenen Kehlen und zum Teil zerfetzten Körpern in einem See aus Blut, das bei seinem Angriff bis an die Decke gespritzt ist, in dem U-Bahnwaggon

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