Rasant und Unwiderstehlich
an Dinge aufsteigen, die nichts mit ihm zu tun hatten, wie zum Beispiel die Erinnerung an den süßen Tee, den sie als Kind so gemocht hatte. Den gab es nicht im Nordosten, und er gehörte zu den wenigen Dingen aus dem Süden, die ihr fehlten.
Callie hatte an nichts anderes gedacht als an Easy, aber jetzt wo er fragte, fielen ihr all die Sachen ein, an die sie wahrscheinlich denken sollte. Zum Beispiel an Tinsley und ihren Plan, Jenny aus Waverly zu katapultieren, denen sie soeben eine Absage erteilt hatte. Sie hatte das am Telefon wirklich ernst gemeint – dass Tinsley wahrscheinlich besser ohne sie zurechtkam. Eine wie Tinsley Carmichael konnte sich aus allem herausschwindeln und Callies nervöses Zappeln würde sie nur verdächtig machen.
»Ich dachte gerade an … gestern Abend.« Sie hatten beide ihre Jungfräulichkeit verloren, und es war genau so gewesen, wie Callie es sich immer erhofft hatte, genau mit der Person, mit der sie es sich immer erhofft hatte. Sie würden bis ans Ende ihres Lebens daran denken. Callie hatte sogar ein bisschen Stroh aus der Scheune aufgehoben und es in ihre Schublade gelegt, um ein bleibendes Erinnerungsstück zu haben. Jetzt wo es die Scheune nicht mehr gab, war sie froh, es behalten zu haben. Irgendwie gefiel ihr der Gedanke, dass das einzige Überbleibsel des Ortes, an dem sie ihre Jungfräulichkeit verloren hatten, in ihrem Besitz war. Sie küsste Easy auf die Wange, und er lächelte auf seine typische Art, halb frech, halb verlegen. Gott, wie hatte sie dieses Lächeln vermisst. Und seinen Duft nach Kaffee und Marlboros, Pferden und Ivory-Seife und nach seinen Künstlerfarben, die sie natürlich nicht auseinanderhalten konnte. Und seine knubbeligen Gelenke. Alles war wieder da und alles gehörte ihr.
»Hör mal.« Easy strich Callie sanft eine Haarsträhne hinters Ohr. Er küsste sie auf die Sommersprossen an ihrem Hals, dann lehnte er sich wieder zurück und sah sie an. »Als ich im Speisesaal war, um die Bagels zu holen, hab ich läuten hören, dass wir zu den Verdächtigen gehören. Ein paar Leute glauben, wir wären schuld an dem Feuer.« Seine Stirn war sorgenvoll gerunzelt.
»Das Gewäsch kommt von Jenny! Die erzählt das überall herum.« Callie wurde rot vor Ärger, als sie daran dachte, wie Jenny sie gestern Nacht angemotzt hatte. Sie hatte ihr nicht nur vorgeworfen, eine miese Freundin zu sein, sondern auch eine verantwortungslose Brandstifterin. Für Callie war die Sache glasklar: Jenny war außer sich, weil Easy mit ihr Schluss gemacht hatte, und nun brannte sie darauf, es Callie heimzuzahlen. Doch damit nicht genug. Callie war auch sicher, dass Jenny selbst die Scheune in Brand gesteckt hatte, aus rasender Wut und Eifersucht. Sie verdiente es, von der Schule zu fliegen. Und dann würde Callie ein Einzelzimmer haben. Sie konnte eine Strickleiter anbringen und Easy jeden Abend heimlich kommen lassen.
»Ach komm.« Easy rieb an einem braunen Fleck – Farbe? Etwas Ekliges von einem Pferd? -, der auf seinen Jeans prangte. »Das klingt eigentlich nicht … nach Jenny.« Seine Stimme war leise und weich, als versuchte er, auf Zehenspitzen um sie herumzuschleichen.
Callie zog die haselnussbraunen Augen zusammen und starrte ihn böse an. Klar, er war ja der Experte in Sachen Jenny. Er war gerade mal zwei lächerliche Wochen mit ihr liiert gewesen, und schon meinte er, sie so gut zu kennen? Sie richtete sich steif auf. Darüber wollte sie sich im Moment nicht unterhalten. Sie wollte nicht eine Sekunde damit zubringen, über Easy und Jenny nachzudenken. Immerhin, Jenny würde bald von der Bildfläche verschwunden sein, vorausgesetzt, Tinsleys Treffen mit dem Dekan verlief planmäßig. Und falls nicht, blieb immer noch genug Zeit, um die Situation zu retten, und dann würde Callie nie mehr einen Gedanken an Jenny verschwenden müssen.
»Ich hab das Gefühl, dass ich dir eine bessere Erklärung für das schuldig bin, was mit Jenny passiert ist. Oder eine bessere Entschuldigung. Oder …« Er verstummte und rieb sich die Schläfen mit den schwieligen Daumen. »Du weißt ja, da ging so viel durcheinander, und ich hab einfach nicht …«
Callie drückte einen langen, weichen Kuss auf seine aufgesprungenen Lippen und hoffte, dass er mit diesem Thema aufhören würde.
Easy erwiderte den Kuss, dann löste er sich behutsam von ihr. Callies milchige Haut war von einem zarten Hauch Rosa überzogen, und er wusste, dass Jenny für sie immer noch ein rotes Tuch war, egal wie
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