Rashen - Einmal Hölle und zurück: Roman (Neobooks) (German Edition)
der Nase. Das Gesicht meiner Mutter, ihre schwarzen Augen, die sich ohne mit der Wimper zu zucken auf meine Gestalt geheftet haben, ohne zu schreien, ohne sich vor Schmerzen zu krümmen, während die Flammen ihr Haar versengen. So ist sie verbrannt. »Weinst du etwa?«, durchdringt Claires Stimme meine Erinnerung. Ein überraschter Ausdruck ist in ihre Augen getreten, als sie mich ansieht. Etwas an dem Mienenspiel ihrerseits verrät mir, dass hier etwas gewaltig schiefläuft
Erschrocken wische ich mir mit der Hand übers Gesicht, erfasse die nasse Spur einer einzelnen Träne.
»Weinen?«, echoe ich verblüfft.
Dieses Wort ist mir seit jeher ein Gräuel. Weinen.
Ein Ruck geht durch mich hindurch, und ich erhebe mich schwer atmend, verscheuche den Nachklang meiner Erinnerungen und wanke in Richtung Badezimmer. Ein Blick auf den kleinen Wecker, der auf der Ablage neben der Zahnbürste steht: 4.32 Uhr. Ich werfe mir eine Ladung klares kaltes Wasser in das Gesicht. Gut. Klarer, nur der Nebel der Gefühle lichtet sich, und zurück bleibt ein dumpfer Widerhall. Als ich meinen Kopf hebe und in den Spiegel schaue, lehnt Claire im Türrahmen, mustert mich mit einem undurchdringbaren Blick.
Stumm erwidere ich ihn, greife nach dem aufgehängten Handtuch, fahre mir damit übers Gesicht und hänge es wortlos wieder zurück. Dann gehe ich an Claire vorbei, zurück ins Bett, werfe mich auf den Rücken und liefere mir ein Blickduell mit einem lächelnden Johnny. Schweigend ist mir Claire gefolgt, lässt sich am Fuß des Bettes nieder, ihre Silhouette ist so unheimlich weiß im Mondlicht, ihre Schultern hängen nach vorne, als würde eine zentnerschwere Last auf ihnen liegen.
»Ich möchte mich bei dir bedanken, Rashen.«
»Wofür?«
Sie zögert.
»Dass ich mich noch einmal von James auf diese Weise verabschieden konnte.«
Ihre Worte hinterlassen einen faden Beigeschmack, und ich starre die gegenüberliegende Wand an, ohne mich zu rühren. Nach einiger Zeit sickert die Bedeutung in mein Innerstes, wie eine bittere Säure saugt sie sich in mir fest.
Langsam, Stück für Stück, beginne ich mich von innen heraus zu verschließen. All die Empfindungen, die mich durchströmt haben, sind nur noch eine weit entfernte Kopie, die langsam verschwindet, sich gänzlich aus mir zurückzieht.
Ich bin die letzten dreihundert Jahre ohne Gefühle ausgekommen. Warum sollte sich ausgerechnet jetzt etwas daran ändern?
Irgendwann liegt Claire wieder neben mir. Johnnys Lächeln verhöhnt mich schadenfroh, doch es macht mir nichts aus. Ich lausche dem Klang meines Herzens, dem pulsierenden Schlag, der Melodie, die es in die Nacht ruft.
Das bin nicht ich. Das ist nicht Rashen.
Erschöpft wälze ich mich auf die Seite, verinnerliche ein letztes Mal Claires Rücken, ignoriere das Ziehen in meinem Magen und schließe krampfhaft die Augen. Jeden Gedanken an meine Eltern verbiete ich mir, so lange, bis die Müdigkeit schließlich ihren Weg zu mir findet und ich endlich einschlafe.
Kapitel 19
Wie schön, wenn man die Wahrheit erfährt.
D ieses Mal hast du keine Ausrede, Schätzchen. Schwing deinen Arsch aus dem Bad, wir müssen los.«
Ein weiteres Mal lehne ich gegen den Türrahmen und warte darauf, dass Madame sich herausbequemt. Nach der gestrigen Nacht hat sich am Morgen nichts zwischen uns verändert. Außer vielleicht, dass Claire meine Gegenwart meidet, so gut es nur geht. Und sie redet nichts. Was man durchaus als eine Veränderung ansehen könnte, allerdings hat sie schon des Öfteren nicht mit mir geredet. Aus welchen Gründen auch immer.
»Komme gleich«, dringt es zischend durch die geschlossene Tür.
»Ja, das bist du letzte Nacht durchaus mehrmals, aber dass du so schnell Nachschub willst, hätte ich nicht erwartet.«
Ein selbstzufriedener Ausdruck breitet sich auf meinem Gesicht aus. Der beste Sex meines Daseins.
Der Schlüssel wird abrupt im Schloss gedreht, dann erscheint Claires rothaariger Schopf in der Tür. Sie wirkt etwas zerknirscht, senkt schuldbewusst den Blick und versucht mir nicht in die Augen zu sehen. Hektische, rote Flecken haben sich auf ihrem Hals gebildet. Treffer versenkt, würde ich sagen.
»Was ist, soll ich dir helfen?«, starte ich einen kleinen Versuch. Sie funkelt mich nur wütend an. Ach, nee, Air is back.
»Wärst du letzte Nacht nicht so schnell gekommen, dann hätten wir auch länger Spaß gehabt.«
»Was?«, bringe ich nur hervor und blinzle perplex.
»Ist doch wahr.«
»Entschuldigung?
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