Rashminder Nächte (German Edition)
Und nein, er ist nicht mit einem Mädchen durchgebrannt.“ Holgo straffte sich abwehrbereit, anscheinend hatte er bereits überall sonst um Hilfe gebeten, bevor er sich nach schlaflosen Stunden hierher gewagt hatte.
Eryk nickte nur und hob die Hand in einer beschwichtigenden Geste.
„Habt Ihr es gesehen? Die Entführung?“
„Nein. Ich war in der Werkstatt und hörte ihn schreien. Als ich auf der Straße ankam, war niemand mehr zu sehen. Das war vor zwei Tagen, seitdem habe ich nichts von ihm gehört oder gesehen.“
Offenkundig hatte er seitdem auch nicht mehr gegessen oder geschlafen, er hatte solch tiefe Ringe unter den Augen, sah so erschöpft und verzweifelt aus, das Eryk beschloss, das Unmögliche zu versuchen: Kaiden aufzuwecken.
„Wartet einen Moment, mein Herr, ich muss meinen Partner dazu holen. Er ist ein versierter Magier und kann vermisste Personen im Handumdrehen aufspüren.“
Sicherheitshalber schloss Eryk die Tür zum Schlafraum, bevor er grimmig sein Werk begann. Holgo sollte möglichst wenig mit anhören müssen …
Erstaunlich schnell – nach lediglich einem Krug Wasser ins Gesicht, einem unsanften Schubs auf den Boden und etwa einer Minute Rütteln, Schütteln und Ohrfeigen – kam Kaiden zu sich.
„Wass’nlosdashier?“, nuschelte er und starrte erschrocken zu Eryk auf. Der warf ihm ein Handtuch an den Kopf und zwang ihn gleichzeitig auf die Füße.
„Ein Kunde. Sohn wurde entführt. Anziehen, hopp!“
Kaiden blinzelte verständnislos, hielt sich steif wie ein Brett in Eryks Griff, der ihn vor dem Zusammenbruch bewahrte. Dann kam Spannung in seinen Körper, er kam nun auch geistig in dieser Welt an. Eryk ließ ihn los und trat zurück, während Kaiden sich das nasse Schlafhemd über den Kopf zog. Hunderte Mal schon hatte Eryk ihm dabei zugesehen und konnte trotzdem den Blick nicht abwenden. Die unbekümmerte Natürlichkeit, mit der sein Partner sich nackt durch den Raum bewegte, war atemberaubend. Als sie sich vor über drei Jahren kennengelernt hatten, war Kaiden ein typischer Magier gewesen – hager, weich, ohne jedes Gefühl für den eigenen Körper, der nur als Gefäß für Verstand und Magie galt. Eryk hatte ihn davon überzeugen können, dass ein Soldat manchmal schneller war als jeder Kampfzauber, für den wertvolle Augenblicke der Konzentration vergeudet werden mussten. Seitdem übte Kaiden täglich mit zwei kurzen Schlaghölzern, die er als geeignete Waffen auserkoren hatte. Er hatte Talent und es hatte wundersame Auswirkung auf das Äußere seines Partners gehabt. Eryk schlüpfte rasch selbst in Hemd und Hose, ließ Kaiden dabei aber kaum einen Moment aus den Augen. Niemand würde den Kleinen jemals mit einem Krieger verwechseln, doch für einen Gaukler oder Tänzer hatte man ihn schon häufiger gehalten. Seine Schultern waren breit, und mochte er auch vom Typ her niemals echte Muskelmasse aufbauen können, so war er zumindest sehnig und äußerst geschmeidig. Seine milchweiße Haut schimmerte beinahe im flackernden Licht der Laterne, die Eryk entzündet hatte. An Armen und Schultern war er ähnlich sommersprossig wie im Gesicht, ein reizvoller Anblick.
So wie alles an Kaiden eben. Ein Glück, dass der Junge ein solch unerträglicher Quälgeist war und zugleich so unschuldig wie ein Lämmchen. Wenn er ahnen würde, was Eryk sich in so mancher Nacht ausmalte, während er sich selbst befriedigte …
Kaiden spürte die Blicke seines Partners, sie verbrannten ihm regelrecht die Haut. Wie gut, dass Eryk ihn körperlich so abstoßend fand! Die finstere Abscheu, mit der er gemustert worden war, als Eryk ihn das erste Mal nackt gesehen hatte, würde er nie vergessen.
„Ein verhungertes Kaninchen hat mehr Muskeln als du!“, hatte er kopfschüttelnd gesagt und angeekelt das Gesicht verzogen. Danach hatte Kaiden unermüdlich an sich gearbeitet, um Eryk zu gefallen und seinen eigenen verletzten Stolz zu pflegen. Mittlerweile war ihm klar, dass Eryk sich wohl immer vor ihm ekeln würde. Jedes Mal, wenn Kaiden sich umzog, starrte Eryk ihn gleichermaßen finster an und zuckte zurück, wenn sie sich dabei zufällig berührten. Er wurde es nicht müde, über Kaidens Milchhaut, über all die Sommersprossen und seine dürren Arme zu lästern. Manchmal hatte Kaiden das Gefühl, dass noch etwas anderes als faszinierte Abscheu in diesen Blicken lag. Immer dann, wenn Eryk sich ein Kompliment über seine Fortschritte mit den Kampfstöcken abrang, gefolgt von Sprüchen wie:
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