Rashminder Nächte (German Edition)
„Vielleicht wirst du in zwanzig Jahren tatsächlich auch ohne Magie da draußen überleben können.“
Oder: „Sei froh über dieses Zauberzeugs, ein Knochensack wie du hätte die Kindheit nie überlebt. Irgendjemand hätte dir gewiss diese Haare in Brand gesteckt.“ Kaiden war so dankbar dafür, es sicherte ihre Freundschaft. Er zahlte es Eryk oft mit gleicher Münze heim und überhäufte ihn mit Beschimpfungen. Niemals ließ er sich anmerken, wie schwer es ihm fiel, sich nackt zu zeigen und damit unweigerlich Spott auszusetzen.
Er wollte verdammt sein, bevor er sich prüde gab und Schwäche zeigte! Es war gut so, wie es zwischen ihnen lief. Jener Teil seiner Seele, der deswegen vor Trauer weinte, blieb tief begraben.
~*~
„Das hier habe ich vor meiner Haustür gefunden, nachdem mein Junge verschleppt wurde“, sagte Holgo und zog einen Fetzen schwarzen Stoffs hervor. Kaiden spürte es bereits, noch bevor er ihn berührte: eine schwache magische Aura.
„Ein Magier?“, fragte Eryk sofort, der wohl seine Reaktion beobachtet hatte. Kaiden nickte. Offenbar war der Fall interessanter, als zuerst vermutet. Wer entführte schon einen Handwerkersohn?
„Ist das schlimm?“ Holgo klammerte sich an der Tischkante fest.
„Nein, nein. Es verlangsamt die Sache nur“, versicherte Kaiden rasch. „Normalerweise brauche ich bloß einen Suchzauber zu wirken und kann jeden Menschen im Umkreis von etwa dreißig Meilen sofort aufspüren. Wenn ein Magier beteiligt ist, wird er sich selbst und Fillip tarnen, um nicht entdeckt werden zu können.“
„Aber ihr könnt ihn finden?“, murmelte Holgo mit der niedergeschlagenen Miene eines Mannes, der alle Hoffnung aufgegeben hatte. „Ich kann nicht viel bezahlen“, fügte er zögerlich hinzu. „Ich war bei der Stadtwache und habe mehrere Söldner gefragt, ob sie mir helfen würden, sie haben mich alle fortgejagt. Das wenige, das ich habe, soll alles euch gehören, wenn ihr mir meinen Sohn wiederbringt.“ Er legte einige Münzen auf den Tisch. Zwei Silberstücke, eine handvoll Kupfer. Kaum genug, dass ein einzelner Mann sich davon eine Woche lang ernähren könnte. Kaiden war sich sicher, dass Holgo außer Fillip noch weitere Kinder daheim hatte, die gefüttert werden mussten. Vermutlich war seine Frau tot oder schwer krank und konnte deshalb nicht mehr mitarbeiten. Andernfalls hätte dort mehr Geld liegen müssen, so schlecht ging es einem tüchtigen Handwerker normalerweise nicht. Meister Holgo war ein Zimmermann, wie sie mittlerweile erfahren hatten, ein angesehener Beruf.
Bevor Kaiden reagieren konnte, griff Eryk nach dem Geld. Sorgsam sammelte er jede Münze auf, nahm dann Holgos Hand, legte das jämmerliche bisschen hinein und schloss die zittrigen Finger des Mannes darüber.
„Kauft davon Essen für Eure Kinder“, sagte Eryk und ließ ihn los.
„Wir sind nicht mit Reichtum gesegnet, wie Ihr sehen könnt, aber wir rauben niemanden aus, der uns um Hilfe anfleht. Geht nach Hause, Holgo. Ich will nicht so albern sein und Euch einreden, dass Ihr Euch keinerlei Sorgen mehr machen müsst, denn wer einen geliebten Menschen vermisst, ist immer in Sorge“, sagte Kaiden, der wusste, dass sein Partner dasselbe dachte, nur nicht in kurze Worte fassen könnte.
„Wir kümmern uns um Fillip“, fügte Eryk hinzu. „Sobald wir wissen, welches Schicksal ihn getroffen hat, werdet Ihr es erfahren.“
Meister Holgo stammelte seinen Dank hervor und versuchte zugleich darauf zu bestehen, für ihre Hilfe zu bezahlen.
„Wir haben im Winter Probleme mit den Fensterläden, sie verziehen sich in der Kälte.“ Kaiden nickte Eryk zu, der das Stichwort sofort aufgriff. „Ja, der Wind geht durch. Und wenn es schwer regnet, ist das Dach nicht ganz dicht. Wenn Ihr uns damit helfen könntet, werter Meister, wäre das kostbarer als Euer Geld.“
Holgo versprach umgehend, die gesamten Dachbalken zu erneuern, was sie ihm gerade noch ausreden konnten, und schickten ihn dann nach Hause zu seiner Familie.
Eryk seufzte erleichtert, als er die Tür hinter Holgo verriegelte.
„Das war sehr geschickt“, murmelte Kaiden, während er in Gedanken bereits verschiedene Möglichkeiten durchging, das Problem lösen zu können.
„Hm?“ Eryk warf einen Blick in den Brandweinkrug und teilte die letzten Tropfen darin für sie beide auf.
„Wie du die Möglichkeit sprachlich umschifft hast, dass Fillip tot oder außer Reichweite auf einer Sklavengaleere sein könnte, das war sehr
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