Rashminder Tage 3 (German Edition)
Rasiermessern bedient, um sich wieder menschlich herzurichten. Gerade weil Natt aus der Gosse kam, war es so wichtig für ihn, sich sauber zu fühlen. Er kannte etliche Schicksalsgenossen, die da entspannter waren und allzu viel Waschen für schädlich hielten – genau wie eine Menge Männer von besserer Abstammung – aber das kümmerte ihn nicht. Natt konnte sich so beweisen, dass er die Straße wirklich und wahrhaftig hinter sich gelassen hatte. Cael schien so wie er veranlagt zu sein, auch ihn sah man ausschließlich dann schlampig gekleidet oder unrasiert, wenn er sich in Diebesbanden einschleichen musste.
„Sollen wir Karchos folgen oder versuchen, Lark aufzutreiben?“, setzte er nach, da von seinem Gefährten keine Reaktion kam.
„Erst mal frühstücken.“ Cael marschierte bereits los in Richtung Küche. Natt folgte ihm seufzend. Dieser Mann machte ihn wahnsinnig – entweder war er kalt und abweisend, wütend und brutal, oder so zärtlich und besorgt, dass es ihm den Atem raubte. Im Moment befanden sie sich einmal mehr in der kalt-und-abweisend-Phase.
Ich bin ein Narr. Warum kann ich ihn nicht einfach als Kampfgefährten sehen, wie früher auch? Nur, weil wir durch die Laken gerollt sind, muss ich ihm doch nicht mein Herz vor die Füße werfen und zuschauen, wie er es zertrampelt!
Nun, er kannte die Antwort. Natt verliebte sich grundsätzlich in Kerle, die er nicht haben konnte. Schon allein weil eine glückliche Liebesbeziehung unter Männern in Rashmind nicht statthaft und somit lebensgefährlich war. Kaiden und Eryk waren das absolute Ausnahmepaar, so etwas würde sich vermutlich in den nächsten hundert Jahren nicht wiederholen. Männer, die wie ein Ehepaar zusammenleben durften, und das mit königlicher Genehmigung, das war undenkbar! Nicht umsonst brauchte es Torgens Magie, um die beiden zu beschützen. Trotzdem, Natt besaß anscheinend eine gewisse Neigung, sich selbst zu quälen. Wer sonst verfiel immer wieder in unglückliche Liebe, die nicht erwidert werden konnte? Die wenigen Männer die er kannte, die so wie er waren, hielten sich mit echten Gefühlen gar nicht erst auf. Sex, flüchtig, namenlos, für Geld in dunklen Ecken und dreckigen Hurenhäusern. Dazu diejenigen, die heimliche Affären führten oder aus Rashmind flohen. Alles das war vernünftig.
Natt verliebte sich unsinnigerweise in regelmäßigen Abständen in Männer, die ausschließlich Frauen zugetan waren. So, wie die Natur es verlangte, damit Kinder geboren wurden. Bei ihm war den Göttern wohl ein Fehler unterlaufen …
Cael war tatsächlich etwas Besonderes, er war nicht nur Natts neuester Liebeskummer, sondern auch sein Bettpartner. Zumindest gelegentlich.
Das sollte ich dringend beenden, dann hab ich eine Chance, den Kummer zu überwinden, dachte er, während er Cael half, die Feuerstelle anzuheizen, damit sie sich etwas Warmes gönnen konnten. Draußen hatte der Sturm mittlerweile nachgelassen. Es musste früher Mittag sein, falls Natt den Stand der von Wolken verhüllten Sonne richtig einschätzte. Die Ebbe war im Gange, bald würden sie das Stelzenhaus einigermaßen trockenen Fußes verlassen können. Ideale Bedingungen also. Die Frage blieb: ideal für was?
Cael sprach erst wieder, als sie sich Tee gekocht und aus Eiern und beinahe frischem Brot ein deftiges Frühstück bereitet hatten. Man spürte, dass Karchos übereilt aufgebrochen war, gewiss hatte er einen längeren Aufenthalt hier am Meer geplant gehabt.
„Ich weiß, wo das Wiesel jetzt ist. Ist nicht weit von hier, soweit ich mich erinnere, wir können es in weniger als zwei Stunden erreichen. Das Gelände kenn ich, es ist nicht allzu schwer, dort einzubrechen.“
„Du meinst, wir sollen auf jeden Fall am Auftrag dranbleiben und versuchen, Karchos und Varel umzubringen?“, fragte Natt nach. Seiner Stimme ging es eindeutig besser. Für jemanden, der anscheinend vor wenigen Stunden beinahe an Erschöpfung gestorben wäre, war er beängstigend stark. Magie war und blieb unheimlich!
„Was sollen wir sonst tun? Wenn Lark uns holen wollte, stünde er bereits draußen, oder?“ Cael aß langsam und gesittet. Naxander musste ihn wirklich extrem gut ausgebildet haben … Natt hatte nie gelernt, Messer und Gabel mit solcher Eleganz zu führen. Wenn er hungrig war, musste er stets an sich halten, um nicht wie früher über das Essen herzufallen, als müsste er es vor Ratten, streunenden Hunden und Katzen und vor allem anderen Straßenkindern verteidigen.
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