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Rasmussens letzte Reise: Roman (German Edition)

Rasmussens letzte Reise: Roman (German Edition)

Titel: Rasmussens letzte Reise: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Jensen
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versteht sich darauf, das Alte zu konservieren. Nicht mal einen Dachziegel darf man ohne Genehmigung versetzen. Ein Idyll, das kann diese Stadt bieten. Aber nichts anderes. Straßenbeleuchtung gibt’s nicht. Das Pfaster schreit nach Erneuerung. Alle Pläne für eine Werft wurden längst aufgegeben. Das einzige neue Gebäude in der Stadt ist das Rathaus. Aber das ist ja auch die Hochburg dieser Schmarotzer. Kopisten, Kammerassessoren und Steuerbevollmächtigte, alle gleich fett und phlegmatisch – bäh!«
    Hinrichsen mähte wie ein Schaf. Dann fuhr er in seinem Redestrom fort.
    »Keine Dynamik, keine Antriebskraft, kein Vorwärtskommen. Wohnen kann man hier nicht, wenn man größere Ziele im Leben hat, als es bloß unbeschadet zu überstehen. Es ist ein Ententeich. Wenn Sie Ihre Nahrung hier suchen, werden Sie sich von Entengrütze ernähren müssen. Eins weiß ich …«, wieder hob er den Zeigefinger, »wer sich an das bindet, was er hat, wird es am Ende verlieren. Ich kann über mich sagen, dass ich ein geschäftstüchtiger Mann bin. Ich kann Dinge bewegen. Unter mir hat diese Stadt geblüht.«
    Er redete, als wäre er Ærøskøbings Oberhaupt gewesen, der ungekrönte König der Stadt. Carl blickte verlegen auf seine Hände. Saß Hinrichsen wirklich hier und rühmte sich seiner Vergehen?
    Hinrichsen füllte erneut sein Glas und leerte es in einem Zug. Seine vornehmen Manieren hatte er vergessen. Er schenkte sich noch einmal ein, ohne Carls Glas zu beachten. Dann lehnte er sich über den Tisch.
    »Ich weiß, was Sie jetzt denken! Aber das Geschäftsleben ist Trapezkunst. Man kann das Resultat nicht beurteilen, bevor die Artisten nicht ihren Sprung gewagt haben und wieder sicher an den Stangen hängen. Ich habe mitten in einem Salto mortale abbrechen müssen. Es konnte nur schiefgehen. Ich wurde verraten. Alle wandten sich von mir ab, als es darauf ankam.«
    »Das ist so nicht wahr«, erwiderte Carl gedämpft. »Mir kommt es so vor, als hätten Ihnen viel zu viele beigestanden. Das war doch wohl das eigentliche Unglück der Stadt.«
    Hinrichsen hörte ihm nicht zu. Er warf einen Blick auf die Weinfasche und drehte sie um. Sie war leer.
    »Was sagen Sie? Erlauben Sie, dass ich Ihnen noch eine Flasche spendiere?«
    »Ich muss jetzt gehen.«
    Hinrichsen fiel regelrecht zusammen. Seine Energie war verbraucht. Er begann, unter dem blankgewetzten Gehrock zu fummeln.
    »Oh«, sagte er entschuldigend, »sieht so aus, als hätte ich zu Haus mein Portemonnaie vergessen. Könnten Sie …?«
    Carl rief den Kellner. Der Burgunder war teurer, als er erwartet hatte.
    Zusammengesunken saß Hinrichsen ihm gegenüber und machte keinerlei Anstalten, sich zu erheben. Das Freimütige an ihm war verschwunden, sein ganzes Wesen schien jetzt besser zu seinem heruntergekommenen Aussehen zu passen.
    »Sie könnten wohl nicht …«, begann er und unterbrach sich. Seine devote Haltung gefiel Carl überhaupt nicht.
    »Sie könnten mir wohl nicht eine kleinere Summe vorstrecken?«
    Carl gab ihm einen Schein.
    »Das ist alles, was ich entbehren kann.«
    »Danke ergebenst. Ich bin Ihnen sehr verbunden.«
    Er hob die Hand und rief nach dem Kellner. Carl wurde klar, dass Hinrichsen das gerade geliehene Geld vollkommen schamlos in eine weitere Flasche Wein investieren wollte.
    Er sah auf und bemerkte Carls Blick.
    »Erinnern Sie sich an Heiberg?«, fragte er. »Das Buch, das ich Ihnen geliehen habe? Haben Sie es je gelesen? Ich kann mich nicht entsinnen, dass wir darüber gesprochen haben. Eine Seele nach dem Tod ?«
    Der Kellner hatte den Wein bereits gebracht, Hinrichsen stürzte sich auf das erste Glas.
    »Eine Seele nach dem Tod. Ja, das bin jetzt ich.«
    Der Wein, der ihm aus den Mundwinkeln tropfte, folgte zwei Furchen, die sich auf jeder Seite des Kinns den Kiefer hinabzogen. Die dunkel gezeichneten Linien unterstrichen die Bitterkeit seines Gesichts.
    »Ihr Burschen …«, brachte er heraus.
    Sein Zeigefinger schwang unsicher von einer Seite zur anderen, als würde er die halbe Welt meinen.
    »Ja, also ihr Burschen, Entschuldigung, ihr Maler, die ihr die Welt so hübsch beschreibt, die Wolken, die Wälder, den Sonnenaufgang und den Sonnenuntergang, rauf-runter, rauf-runter. Das kommt ja aufs Gleiche raus. Ihr wollt doch immer von uns, dass wir alle in dieselbe Richtung gucken, also nach oben, wollte ich sagen. Alles, was ihr malt, verweist sozusagen auf den Herrgott, auf das Schöne, Gute und Wahre, hab ich nicht recht? Es gibt bei allem

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